Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
Vom Netzwerk:
ihre Rechte! Wenn ich jemandem in diesem Haus etwas schuldig bin,
     dann nur citoyen Jomart, denn er hat mich angestellt!»
    Die Mousnier gab nicht auf. «Hat
er
denn wenigstens dein certificat zu Gesicht bekommen?»
    «Wenn du glaubst, er sei dir in irgendeiner Weise Rechenschaft schuldig, so frag ihn doch!», trumpfte Marie-Provence auf.
    «Schnippisch und kaltschnäuzig, ja, das bist du. Willst mich einschüchtern. Ganz wie den armen Kerl, den du aus dem Haus getrieben
     hast.» Die Alte musterte sie argwöhnisch. «Der Junge, den du vergrault hast, ist der Sohn meiner Nachbarin. Sie kam empört
     zu mir und hat mich gefragt, seit wann es üblich sei, Arztgehilfen Windeln schrubben zu lassen.» Sie schnaubte. «Jemand, der
     so darauf versessen ist wie du, eine Stelle zu bekommen, führt nichts Gutes im Schilde!»
    «Ich verstehe deine Sorge nicht», gab Marie-Provence zurück. «Du und die Ammen wolltet lieber eine Frau. Hier bin ich. Wie
     du siehst, mache ich meine Arbeit gut. Und auch wenn ich diese Stelle dringend brauche, wenn ich alles getan habe, um sie
     zu bekommen, habe ich es nicht nötig, mich zu rechtfertigen!» Marie-Provence funkelte die andere an. «Dieser Bursche wohnt
     bei seiner Mutter, sagst du? So wird es ihm an nichts fehlen. Ich muss selbst für mich sorgen. Und ich brauche mich meiner
     Not nicht zu schämen.»
    Die Mousnier verengte die Augen. «Gib acht, citoyenne! Ich beaufsichtige dieses Heim voller Weiber seit einer Ewigkeit und
     weiß genau, wenn mich eine von ihnen hinters Licht führen will. Bei dir ist was faul, das spüre ich! Pass nur auf: Ich werde
     dich beobachten, jede Minute, jeden Augenblick! Und sobald du auch nur einen Schritt in die falsche Richtung machst, zeig
     ich dich an!» Sie riss die Tür auf und rauschte davon.
    Marie-Provence starrte ihr nach, erleichtert und alarmiert zugleich. Die Stimmen von docteur Jomart und seinem |55| Gast klangen zu ihr herüber – die Oberaufseherin hatte die Tür offen gelassen. Durch Marie-Provences Körper ging ein Ruck.
     Croutignac! Sie huschte zur Tür und warf einen glühenden Blick in den Nebenraum. Da stand er! Blonde, stumpfe Haare. Fleckige
     Haut. Nach dem Hinweis, dass der Mann im Temple ein- und ausging, hatte sie diesen Winter immer wieder dort ausgeharrt. Und
     Croutignac war, genau wie Jomart, etliche Male an ihr vorbeigefahren, während sie ihn zitternd und aus der Geborgenheit einer
     Toreinfahrt heraus beobachtet hatte. Doch es war das erste Mal, dass sie ihm so nahe kam seit jenem Vorfall, der sie um ein
     Haar Kopf und Kragen gekostet hätte.
    «Er lebt. Mehr kann ich nicht sagen.»
    Marie-Provence drückte sich gegen den Türrahmen. Sie hatte nicht gewusst, dass Jomarts Stimme so abweisend klingen konnte.
    «Mehr wird auch nicht von dir verlangt», antwortete Croutignac kühl. «Wann findet dein nächster Besuch statt?»
    «Wann soll ich denn hingehen?»
    «Nun, die Fête de l’Être Suprême, das Fest des Obersten Wesens, ist in zwei Wochen. Es wäre gut für das Ansehen der Republik,
     wenn du vorher noch einmal da wärest.»
    «Meinetwegen.» Jomart atmete hörbar ein und aus. Nach einer kurzen Pause fragte er: «Sag, was treibt dich eigentlich an?»
    «Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.»
    «Hast du persönlich etwas gegen den Jungen?»
    «Humbug!»
    «Ist es diese alte Geschichte?» Jomart hörte sich müde an. «Himmel, glaubst du nicht, dass es Zeit ist, die Sache auf sich
     beruhen zu lassen und weiterzuleben?»
    «Versuch nicht, mich verstehen zu wollen, docteur. Nur einer einzigen Person ist das jemals gelungen.»
    «Dann sag mir, wie lange du diese Tortur noch fortsetzen willst.»
    Stille. Als Croutignac schließlich antwortete, war es in einem Tonfall, der Marie-Provence frösteln ließ.
    |56| «Gib acht auf deine Worte, Alexandre. Nicht jeder ist dir so wohlgesinnt wie ich.»
    «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er zusammenbricht. Das wisst ihr, du und dein Herr, genauso gut wie ich!»
    «Nun, wir sind nicht allmächtig, docteur. Gegen das Schicksal können wir nichts. Wir können nur den besten Arzt hinschicken,
     um ihn zu betreuen. Die Welt wird bezeugen können, dass wir nichts unversucht gelassen haben.» Eine Tür wurde geöffnet, und
     schneidend sagte Croutignac zum Abschied: «Sein Leben ist in deinen Händen, docteur!»
    ***
    «Hier, mein Lieber.» Rosanne setzte vor ihrem Mann einen Teller ab.
    «Was soll das?»
    «Der Rinderbraten ist übrig, und du hast seit heute Morgen

Weitere Kostenlose Bücher