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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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ehemaligen Güter der Kirche zu verkaufen, sondern auch für andere Zwecke missbraucht, wie die Bezahlung
     der Beamten oder den Ausgleich des Haushaltes. Und so wurde immer mehr Papiergeld gedruckt, weit mehr als im Gegenwert der
     beschlagnahmten Güter. Seitdem hatten die Assignate zwei Drittel ihres Wertes verloren. Auf dem Land, wie in der aufrührerischen
     Vendée oder der Bretagne, weigerten sich inzwischen die Bauern, Assignate anzunehmen, und auf dem Schwarzmarkt zirkulierten
     ausschließlich Münzen. Auch |59| hier, bei Paris, wurde das, was Rosanne für ihre Scheine bekam, immer weniger, und die Preise waren in irrwitzige Höhen gestiegen.
    Um der Inflation ein Ende zu bereiten, beschloss der Staat, für ein Jahr das sogenannte Maximum einzuführen, eine Festlegung
     der Preise sämtlicher Güter und Gehälter auf eine maximale Höhe. Mit wenig Erfolg. Denn die Bauern und Fabrikherren hielten
     daraufhin ihre Waren zurück und spekulierten auf einen höheren Gewinn nach Beendigung der Maßnahme. Und obwohl Soldaten im
     ganzen Land Fabriken, Scheunen und Speicher durchkämmten, um die Waren mit der Spitze ihrer Bajonette auf den Markt zu stoßen,
     wurden die Güter knapp. Seither kam es beim Volk immer wieder zu Vorratskäufen, und es wurde für Rosanne täglich schwieriger,
     genug für ihre wenigen Gäste zu besorgen.
    Georges griff in den Eimer und holte das Stück Fleisch wieder heraus. «Da!», sagte er und hielt es ihr hin. «Wasch es, morgen
     gibt es Fleischpastete für die Gäste!»
    Rosannes Magen krampfte sich zusammen. Sie sah auf das mit Unrat beschmierte Bratenstück in Georges Hand. Ein Beben durchlief
     sie. «Nein!»
    «Was?»
    «Das kannst du nicht machen, Georges!»
    «Ich habe gesagt, wasch das!»
    «Georges, du bist ein guter Koch – das darfst du nicht tun! Es ist unter deiner Würde!»
    «Ich zähle bis drei! Eins   …»
    «Alles, was du mir beigebracht hast, Georges! Dein ganzer Stolz! Die besten Zutaten waren dir kaum gut genug!»
    «Zwei   …»
    Georges zitterte vor Wut. Doch etwas in Rosanne trieb sie, zu widerstehen, dieses eine Mal ihrem Mann die Stirn zu bieten.
     Nicht für sich, nein. Um Georges willen. Um des Georges willen, den sie geheiratet und geliebt hatte.
    «Das Perlhuhn mit Trüffelragout, die Aniscreme à la reine   … Alles deine Schöpfungen! Georges, komm zu dir! Verrate dich doch nicht selbst!»
    |60| «Verdammt, Weib, du sollst mir gehorchen!»
    Rosanne schrie leise auf, als Georges derb ihre Hand packte. Er zwang ihr das Fleisch zwischen die Finger. «Nimm es!»
    «Nein!»
    Mit einem Laut der Wut wirbelte Georges sie herum. Sie schluchzte auf. Er schleuderte sie in Richtung Spülbecken. «Wasch das
     jetzt!»
    Sie stieß sich schmerzhaft die Hüfte am groben Steinbecken. Antwortete nicht mehr, als er sie anbrüllte. Wartete nur noch.
     Weinte in Schüben, die ihren Körper durchschüttelten. Er kam ihr nach, drängte sie gegen das Becken. Sie war blind vor Tränen.
     Die Hand mit dem Fleisch hielt sie weit von sich gestreckt. Sie war ihr fremd, diese Hand, als gehöre sie nicht zu ihr. Aus
     irgendeinem obskuren Grund weigerte sie sich noch immer, das vermaledeite Stück Fleisch zu waschen. Dennoch fühlte sie, was
     diese Hand fühlte, das große Stück Fleisch, das unbeteiligt und weich zwischen ihren Fingern hing, einem toten Tier gleich,
     und das Gefühl ließ sie würgen. Georges griff zu der Kelle, die aus dem Topf mit dem siedenden Spülwasser ragte.
    «Georges, nein!»
    «Du hast es nicht anders gewollt!»
    «Georges!»
    Ihr Schrei hallte gellend unter dem Kirchengewölbe wider, als der Schmerz auf ihrer Hand barst.
    ***
    Es war spät, wie immer, wenn Marie-Provence aus der Stadt heimkehrte. Ihre Beine waren den ganzen endlos langen Weg gelaufen,
     über Le Roule und Courbevoye und Besons, über das silbrige Band der Seine, die sie dreimal überquert hatte, auf klapprigen
     Heuwagen und leeren Karren – irgendjemand nahm einen immer mit, die Menschen freuten sich stets auf ein Schwätzchen. Heute
     allerdings hatte sie die Erwartungen ihrer Mitfahrer enttäuscht. Sie hatte, in sich versunken, |61| die sommerlich grünen Hügel an sich vorbeiziehen lassen, hatte das Spiel der Sonne auf den glitzernden Fluten und das feurige
     Strahlen des Klatschmohns nicht beachtet. Die Vergangenheit, die durch die Begegnung mit Croutignac auf einmal wieder lebendig
     geworden war, hatte sie in ihren Bann gezogen.
    Erst als Marie-Provence in Sartrouville

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