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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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schnalzte mit der Zunge. «Dieser Capitaine war ein raffinierter Hund, citoyen. Hat alles gemacht, um die Spur des
     Mädchens zu verwischen. Sie ist von einem Tag auf den anderen von der Bildfläche verschwunden. Erst hieß es, sie sei krank,
     dann, sie sei in ein kleines Bad nach Deutschland geschickt worden, um sich auszukurieren. Dort allerdings, so verbreiteten
     es ihre Eltern, hätte sie einen Rückfall gehabt, der ihr das Leben kostete, und sie sei vor Ort begraben worden.»
    «Das ist nichts Neues! Ich hoffe, du hast noch mehr als das zu bieten, sonst kannst du ab morgen wieder als Wache vor dem
     Gefängnis des Temple stehen!», knurrte Cédric. «Ich habe dich nicht vom Dienst entbunden und so lange auf meine Kosten nachforschen
     lassen, damit du mir alte Geschichten erzählst!» Seine Faust prallte auf seine Handfläche. «Die Frage ist: Ist das Ganze wahr,
     oder lebt das Mädchen noch?»
    Corbeau schüttelte sein pechschwarzes, glattes Haar. Er war derjenige von Cédrics Spitzeln, der seinem Decknamen am meisten
     Ehre machte: Mit seiner langen Nase und den dürren Beinen hatte er tatsächlich etwas von einem Raben. |50| «Es ist bisher unmöglich gewesen, Beweise dafür zu bekommen, dass die Geschichte stimmt. Bad Bertrich, so heißt der Ort, befindet
     sich auf verfeindetem Gebiet. Ich fragte bei den Poststationen nach, ob das Mädchen die Reise tatsächlich antrat, doch so
     viel später konnte sich niemand mehr erinnern, eine junge Frau zu besagter Zeit über die Grenze gefahren zu haben.»
    Cédric nickte. «Wenn wir wenigstens ein Porträt von ihr hätten, um es rumzuzeigen», murmelte er. Doch das einzige Konterfei,
     das er von dem Mädchen hatte, war ein stümperhaft ausgeführtes und zerkratztes Ölbild, das sie zusammen mit ihren Eltern zeigte
     und offensichtlich von der Hand eines Kindes stammte.
    Nein, es gab kein Porträt. Im ganzen Haus hatte er bereits danach gesucht. Nichts. Eine Tatsache, die ihn von vornherein irritiert
     hatte. Konnte der Schmerz, ein geliebtes Kind zu verlieren, so groß sein, dass man sämtliche Bilder vernichtete? Selbst Cédric,
     der mit allem gebrochen hatte, was ihn einst umgab, hatte es nicht fertiggebracht, das zerknitterte Blatt zu zerstören, das
     er heute mitsamt dem versiegelten Kristallbehälter im untersten Winkel einer Kiste seiner
chambre fermée
aufbewahrte.
    Wenn er damals doch nur nicht seine Brille hinter den Schrank geschubst hätte! Dann hätte er wenigstens bei einem Zeichner
     ein Porträt von ihr in Auftrag geben können, das dieser nach seiner Beschreibung angefertigt hätte. So aber war sein verdammtes
     Ungeschick daran schuld, dass das einzige Bild, das er von seiner Angreiferin hatte, eine schemenhafte Gestalt mit aufgelöstem
     dunklem Haar war. Und auch seine zwei Diener waren zu keiner präziseren Aussage zu bewegen, als dass die Frau eine aparte
     Erscheinung in altmodischen Kleidern gewesen sei. Was für nichtsnutzige Narren!
    Cédrics Haut spannte sich unter dem altbekannten Juckreiz. Seine stumpfgefeilten Fingernägel gruben sich in seinen Handrücken,
     und noch bevor er sich zur Ordnung rufen konnte, hatte er sich verletzt. Irritiert starrte er auf die kleine Wunde.
    |51| «Das Mädchen lebt, dessen bin ich mir sicher», sagte er. «Die Tatsache, dass es kein Bild gibt, ist für mich ein Beweis dafür:
     Ihre Eltern haben geahnt, dass man auf sie aufmerksam geworden war. Und sie haben alles getan, um ihre Tochter vor einer etwaigen
     Verfolgung durch die revolutionären Behörden zu schützen.»
    «Das glaub ich auch», sagte Corbeau.
    Cédric horchte auf. «Warum dieser Tonfall? Hast du etwa noch mehr herausgefunden?»
    Corbeau grinste. «Na klar. Bin doch nicht auf den Kopf gefallen!» Ernst fuhr er fort: «Unsere Armeen haben, wie du weißt,
     ihre früheren Verluste nicht nur wettgemacht, sondern sind inzwischen an vielen Fronten siegreich. Besonders an der nordöstlichen
     Grenze schreitet die Trikolore unaufhaltsam voran.»
    Cédric starrte ihn an. «Willst du damit andeuten, dass dieser deutsche Kurort, wie heißt er noch gleich   …»
    Corbeau nickte. «Bad Bertrich wird seit kurzem von unseren glorreichen Truppen besetzt. Ich bin dorthin gereist. Ein reizender
     kleiner Ort, in einem tiefen waldigen Tal. Recht abgelegen allerdings.»
    «Und   …?», fragte Cédric atemlos.
    «Das Mädchen ist nie dort gewesen.»
    Ein heißes Gefühl des Triumphs durchfuhr Cédric. «Wenn es so ist, werden wir sie

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