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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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eine ihr nicht bekannte Art mit
     Croutignac in Verbindung stand, hatte Marie-Provence inzwischen erkannt, dass der Mann ein guter Arzt war, ein Menschenfreund,
     der sich nach Kräften für die Schwächsten einsetzte.
    Zum anderen lag es an den Kindern, deren Schicksale Marie-Provence immer wieder berührten. Die Säuglinge wurden gefunden und
     abgegeben, im Geburtenhaus auf die Welt gebracht – oder bereits dem Tode nahe heimlich abgelegt von Eltern, die es sich nicht
     leisten konnten, sie beerdigen zu lassen. Täglich starben etliche, und täglich kamen neue zur Welt. Wenn sie kräftig genug
     geworden waren, wurden sie von bezahlten Ammen abgeholt, die sie für mehrere Jahre zu sich aufs Dorf nahmen. Zu dem kleinen |64| César, der am selben Tag wie sie hier angekommen war, hatte Marie-Provence ein besonderes Verhältnis. Wann immer sie es einrichten
     konnte, hatte sie den hässlichen Säugling besucht und ihn auf die Arme genommen.
    Alles in allem hätte Marie-Provence sich hier wohl fühlen können – wären da nicht ihre nagende Sorge um das Schicksal des
     Kindes gewesen sowie Madame Mousniers misstrauische Blicke, die ihr überallhin folgten.
    Ein Klopfen an der Tür riss Marie-Provence aus ihren Gedanken. Eine Hebamme meldete einen gewissen André Levallois.
    «Ah, très bien!» Jomart warf das Blatt auf den Tisch und rieb sich die Hände. «Schicken Sie ihn am besten zu uns ins Zimmer,
     dann kann er sich hier gleich umschauen.» Er lächelte breit. «Mademoiselle Duchesne, ich habe heute eine Überraschung für
     Sie. Sie sprachen doch davon, das Zimmer hier verschönern zu wollen. Der Mann, der gleich kommt, ist der Vertreter einer der
     größten Tapetenfabriken in der Stadt, dessen Besitzer ich zufällig kenne. Bald werden Sie sich hier rundum wohl fühlen. Ich
     habe ihn gebeten, Muster mitzubringen. So können Sie   …» Er unterbrach sich. «Mademoiselle? Mademoiselle Duchesne, ist etwas nicht in Ordnung?»
    Marie-Provence hörte ihn nicht. Sie war wie erstarrt. Selbst ihr Herz, so schien es ihr, hörte ein paar Sekunden lang auf,
     in ihrer Brust zu schlagen. Ihr Blick haftete an dem Mann, den die Hebamme eingelassen hatte und der jetzt näher trat. Dunkle
     lockige Haare. Markante Züge. Diesmal kein Heft, sondern eine Mappe unter dem Arm. Wie hatte er sie wiedergefunden? Der Schweiß
     brach ihr aus allen Poren, wusste sie doch, dass sie hätte fliehen sollen, rennen, laufen, sich in Luft auflösen – irgendetwas
     anderes tun jedenfalls, als hier zu stehen und ihrem Schicksal in die grausamen Augen zu starren.
    Jomart bedachte Marie-Provence mit einem beunruhigten Blick, ging dann aber mit ausgestreckter Hand auf seinen Besucher zu.
     «Monsieur Levallois? Très heureux! Sind Sie |65| mit dem Besitzer der Fabrik, Monsieur Angus Levallois, verwandt?»
    Er war zwischen Marie-Provence und dem Besucher zum Stehen gekommen, sodass ihr der Blick auf den Mann verstellt war.
    «Er ist mein Vater, Monsieur. Als er hörte, dass Sie um ein paar Muster geschickt hatten, bat er mich, selbst zu kommen. Mein
     Vater erwähnte, Sie seien ein alter Freund von ihm.»
    «Also hat er sich noch an meinen Namen erinnert.» Jomart schien erfreut. «Es ist schon so lange her. Ihr Vater und ich haben
     zusammen studiert.»
    «Medizin ist immer noch eine seiner Leidenschaften. Ich glaube, er bedauert noch heute, dass er die Papierfabrik meines Großvaters
     weiterführen musste, damals, nach dem Unfall meines Onkels.»
    «Das sollte er nicht. Wir haben uns aus den Augen verloren, doch ich verfolge mit Interesse, dass er die ererbte Fabrik höchst
     erfolgreich geleitet und zu einer der größten ihrer Art gemacht hat.»
    «Er hat die Gunst der Stunde zu nutzen gewusst. Als es vor dreißig Jahren möglich wurde, Papierstücke aneinanderzureihen,
     um daraus Rollen herzustellen, begann er bereits, sich für die Herstellung von Tapeten zu interessieren. Und als das Velinpapier
     eingeführt wurde, stellte er fast die gesamte Produktion um.»
    Marie-Provence wohnte dem Gespräch mit einem Gefühl der Unwirklichkeit bei. Wieso unterhielten sich die beiden Männer über
     so etwas Nichtiges wie Tapeten? Spielten sie ihr etwas vor? Versuchten sie, sie einzulullen und in Sicherheit zu wiegen? War
     Jomart letzten Endes eingeweiht? Himmel, ja! Wie hätte es anders sein können? Sie spürte, wie ihre Finger zu beben begannen.
     Diese kleine, kaum wahrnehmbare Bewegung war es, die ihre Starre löste. Sie warf hastig einen

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