Die Ballonfahrerin des Königs
uns hinter die Front
der Kämpfenden einzuschleusen und so bereits das feindliche Gebiet nach Ihnen durchforsten zu können, noch bevor Quiberon
ganz an uns gefallen ist.» Zu Marie-Provence sagte er: «Es war übrigens viel leichter, dich zu finden, als ich es befürchtet
hatte. Wie ich hörte, hast du deine Dienste an Kindern und Schwangeren wieder aufgenommen. Die Menschen hier waren trotz ihrer
Eile, zum Hafen zu kommen, geradezu begierig darauf, mir euer Haus zu zeigen.»
Guy ächzte, als seine Hände brutal zurückgerissen und mit einem festen Strick zusammengezurrt wurden.
«Was haben Sie vor?», brachte Marie-Provence heraus.
«Wir werden es uns hier ein wenig gemütlich machen.» Croutignac wandte sich den vier Männern zu. «Bindet ihn am Bett fest.
Dann geht ihr raus und bewacht das Haus. Es sind alle auf der Flucht, keiner wird dumme Fragen stellen. |532| Falls euch doch jemand anspricht, behauptet ihr, die Männer des capitaine Guy de Serdaine zu sein und auf dessen Befehl dort
auszuharren. Unter keinen Umständen lasst ihr jemanden rein, hört ihr?» Er rieb sich die Hände. «Was für ein schreckliches
Wetter! Mach mal Feuer, Mädchen. Schließlich müssen wir hier noch ein paar Stunden ausharren. Hoche ist zwar ein begnadeter
Heerführer, doch es wird wohl bis zum Nachmittag dauern, bis die Halbinsel unser ist und ich euch hier gefahrlos rausbringen
kann. Unsere Reise nach Paris werden wir wohl erst heute Abend antreten.»
Marie-Provence und Guy, der an einem Pfosten des Bettes festgemacht worden war, wechselten einen Blick. Guy nickte kurz, und
Marie-Provence hockte sich vor dem Kamin nieder.
«Nach Paris?», fragte Guy Croutignac. «Sie wollen uns einmal quer durch Frankreich schleppen?»
Croutignac lächelte dünn. Er setzte sich auf eine Bank am Kamin und sah Marie-Provence zu, wie sie ein paar Holzscheite stapelte.
«Mir ist keine Mühe zu groß, wenn es um Gerechtigkeit geht, Serdaine. Haben Sie das noch immer nicht verstanden?»
«Wenn Sie meinen Tod wollen, können Sie ihn haben. Hier und jetzt.»
«Für Ihren Tod bin ich nicht zuständig. Dafür interessieren sich nur die, die wissen wollen, wie Sie Capets Entführung geplant
haben und wie Ihre Komplizen heißen.» Croutignac schüttelte den Kopf. «Sie werden es kaum glauben, doch mich interessiert
nicht, ob Sie dafür gerichtet werden oder nicht. Capet ist tot, meine Aufgabe ist erfüllt.»
Marie-Provence sah auf, direkt in Croutignacs starre wasserblaue Augen.
«Was ich anstrebe», sagte dieser tonlos, «ist Vergeltung in einer ganz anderen Sache, Serdaine. Sie wissen, welche?»
«Unfug», rief ihr Vater. «Ein Unfall, der Jahre zurückliegt!»
Croutignac schüttelte abermals den Kopf. Ruhig sagte er: «Es war Mord, Serdaine. Der Mord an meiner Tochter.»
|533| Er wandte sich an Marie-Provence. «Als ich dich zum Schafott geführt habe, hast du mich gefragt, warum ich euch hasse. Hat
dein Vater es dir inzwischen erzählt?»
«Meine Tochter interessieren Ihre Lügengeschichten nicht, Croutignac!», knurrte Guy.
Du kannst ihn nicht wegschicken. Oder ihm den Mund verbieten,
hatte Théroigne gesagt.
Du solltest dir einmal seine Geschichte anhören.
Damals, kurz vor Charles’ Tod, war Marie-Provence außerstande gewesen, dem Rat der Amme zu folgen. Heute aber … «Doch», sagte sie und richtete sich auf. Guy stutzte. «Ich will wissen, was damals passiert ist», sagte sie nachdrücklich
zu ihrem Vater. «Seit Monaten trachtet mir dieser Mann nach dem Leben, seit Monaten verfolgt er mich bis in meine Albträume.
Du bist meinen Fragen immer ausgewichen.» Sie wiederholte: «Ich will es wissen.»
Croutignac schwieg. Sein Blick verlor sich in den züngelnden Flammen. Es knackte, als das Reisig unter den Holzscheiten Feuer
fing. Die Atmosphäre schien ebenfalls vor Anspannung zu knistern, als Croutignac anhob: «Ich habe bereits erwähnt, dass meine
Tochter Félicie Märchen liebte und in einer eigenen, phantastischen Welt lebte, die von ihrem Erfindungsgeist bevölkert war.
Doch es gab auch einen Ort auf der Welt, der tatsächlich existierte und der in ihrer kindlichen Einbildung ihren Traum verkörperte.»
Croutignac griff nach einem dünnen Ast und stocherte damit im Feuer herum.
Als Marie-Provence die Stille nicht länger aushielt, fragte sie: «Wo war dieser Ort?»
Croutignacs Stock hatte Feuer gefangen. Er sah zu, wie die Flamme sich langsam zu seiner Hand hochfraß. «Es war der
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