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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Hof von
     Versailles», sagte Croutignac schließlich und schleuderte den Stock in den Kamin. Er warf einen Blick in Richtung Bett. «Nicht
     der Hof, wie er wirklich war: verdorben, intrigant und prahlerisch. Sie stellte sich eine Märchenwelt vor. Gott sei Dank war
     ihr Aufenthalt dort zu kurz, um sie eines Besseren zu belehren.»
    «Ihre Tochter war in Versailles?», fragte Marie-Provence.
    |534| Croutignac nickte. «Alexandre hat sie dorthin gebracht.»
    «Alexandre Jomart?», hakte Marie-Provence überrascht nach.
    «Alexandre hatte eine Assistentenstelle bei einem Arzt ergattert, der die Methoden von Tronchin verbreitete. Auch am Hof.»
    «Tronchin», sann Marie-Provence nach. Sie fuhr sich durch das unordentliche Haar. Tronchin. «Er war ein hochangesehener Mediziner.
     Er vertrat eine neuartige Methode, die   …»
    «Die Inokulation der Pocken», half ihr Vater.
    Marie-Provence riss den Kopf hoch. «Ja. Richtig.»
    «Tronchin ritzte die Oberarme seiner Patienten ein und infizierte die Wunde mit dem Eiter eines genesenden Pockenkranken»,
     erläuterte Guy de Serdaine. «Die Pocken raffen immer wieder Zehntausende dahin. Die Inokulation bietet vor der Seuche Schutz
     und ist eine bahnbrechende Erfindung. Selbst der König und die Königin hatten sich entschlossen, ihre Kinder inokulieren zu
     lassen, um dem Volk als Beispiel zu dienen.»
    Croutignac warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. «Als Alexandre uns besuchte, bekam Félicie mit, dass ihr Onkel an den Hof
     ging, um seinem Lehrer bei der Inokulation der königlichen Familie zu assistieren. Sie bettelte, mitkommen zu dürfen, bis
     Alexandre nachgab.»
    Marie-Provence stellte sich ein knapp fünfjähriges Mädchen vor, das mit großen Augen aus einer Kutsche stieg. «Wie hat es
     ihr in Versailles gefallen?», wollte sie wissen.
    «Sie war hingerissen», sagte Croutignac. Bitter und mit überraschender Offenheit fügte er hinzu: «Wir waren es auch. Wir durchschritten
     die prächtigen Räume, streiften die kostbar gekleideten Menschen, und nicht nur Félicie glaubte zu träumen. Doch dann erreichten
     wir in der Gefolgschaft Alexandres die königliche Familie, und die Welt schrumpfte wieder zu ihrer normalen Größe zusammen.»
    Guy ließ einen zischenden Laut hören.
    «Was ist passiert?», fragte Marie-Provence.
    |535| Croutignac verzog den Mund. «Ein Kind, das sich mit Händen und Füßen weigert, zu gehorchen, und aus Leibeskräften brüllt.
     Ratlose Eltern. Die Umgebung schweigt, peinlich berührt. Eine ganz alltägliche Familie eben.»
    «Und dieses Kind war – Charles?», fragte Marie-Provence ahnungsvoll.
    Croutignac verengte die Augen und sagte verächtlich: «Irgendein hohlköpfiges Kindermädchen hatte dem Jungen verraten, dass
     der Arzt ihm die Haut einritzen würde. Er war nicht zu bändigen.»
    «Er hatte Angst», verteidigte ihn Marie-Provence.
    Croutignac achtete nicht auf sie. «Félicie hatte das ganze Theater mit großen Augen verfolgt. Und plötzlich, ohne dass meine
     Frau und ich auch nur geahnt hätten, was sie vorhatte, machte sie sich frei und schoss bis zu dem Jungen durch.»
    Marie-Provence sah auf ihre rußschwarzen Finger. «Was passierte dann?»
    «Nichts. Stille. Endlich war Stille. Die Tränen des Jungen versiegten, als Félicie plötzlich vor ihm stand. Er hörte auf zu
     schreien.»
    «Er war verblüfft», meinte Marie-Provence.
    Croutignac nickte kurz. «Alle waren erleichtert, auch die Königin. Doch das eigentliche Problem blieb ungelöst: Noch war der
     Prinz nicht behandelt worden.» Croutignac holte Luft. Er sah auf, starrte Guy an, als er weitersprach: «Auf einmal löste sich
     ein Offizier aus der Gruppe der Höflinge. Ein gutaussehender, schneidiger Hauptmann, prächtig anzuschauen in seiner weißen
     Uniform. Er verbeugte sich vor Félicie und dem Jungen.»
    Marie-Provence’ Herzschlag beschleunigte sich, als sie ebenfalls ihren Vater ansah. Dessen Gesicht war verschlossen.
    Croutignac lachte bitter. «Ich sehe Félicie noch heute vor mir. Sie starrte mit offenem Mund zu ihm hoch. Er war ganz offensichtlich
     der Märchenprinz ihrer Träume. Und er sprach sie direkt an.» Croutignac veränderte seine Stimme |536| und ahmte die glatte Stimme eines Höflings nach: «Mademoiselle, Sie scheinen mir eine entschlossene junge Dame. Ob Sie sich
     vor Louis-Charles inokulieren lassen würden? Ich glaube, Ihr Mut und Ihr Beispiel könnten beim Dauphin Wunder wirken.»
    Er fuhr sich über den Mund. Sein

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