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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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starrte sie an, überwältigt, wie das allererste Mal, als er sie
     auf dem Marktplatz erblickt hatte.
    «Und du? Was schätzt du?», fragte sie leise.
    Er lächelte, obwohl sich etwas in ihm schmerzhaft zusammenzog. «Ich schätze   … Ich schätze, wir sollten jetzt losfliegen!», sagte er schnell, bevor ihm etwas herausrutschte, das sie vielleicht verschreckt
     hätte.
    Sie lächelte ihn an. «Auf was warten wir dann noch?»
     
    Die Männer, die um den Korb versammelt waren und immer wieder die Halteseile überprüften, Fässer wegrollten und Schläuche
     zusammenlegten, die der Füllung der seidenen Hülle gedient hatten, wechselten ein paar Worte mit André Levallois. Während
     dieser den Ballon umrundete, die Festigkeit verschiedener Knoten testete und alles einer letzten, gründlichen Inspektion unterzog,
     betrachtete Marie-Provence das beeindruckende Gefährt aus der Nähe.
    An dem Netz, das auf dem Scheitel des Ballons ruhte und ihn umspannte, waren auf halber Höhe Seile befestigt. Diese dienten
     der Verankerung; ihre Enden waren um Holzpflöcke im Boden geschlungen. Am Saum des Netzes hing der längliche, elegant geschwungene
     Korb, der einer venezianischen Barke ähnelte. Sein Inneres war mit Leinen ausgekleidet, blauweißrote Kokarden und buschige
     Eichenzweige schmückten ihn, und mehrere Säcke hingen an seinem Rand. Eine leichte Brise trieb gegen den Ballon und entlockte
     dem gefesselten Riesen ein kontinuierliches Seufzen und Ächzen.
    «Also gut, Männer, alle zu den Seilen! Es geht gleich los!», rief André, bevor er Marie-Provence eine Hand bot. Seine Augen
     leuchteten. «Komm!»
    Als es daran ging, in den Korb zu steigen, hatte Marie-Provence plötzlich weiche Knie. Der Ballon, der nun über |123| ihrem Kopf schwang, erschien ihr unfassbar groß und mächtig, und wären nicht Levallois und seine feste Hand gewesen, hätte
     sie vielleicht auf der Stelle kehrtgemacht.
    «Du brauchst nichts zu befürchten. Du hast doch keine Höhenangst?»
    Marie-Provence schluckte. «Ich weiß nicht   … Nein, ich glaube nicht», stotterte sie, während sie den Korbrand überwand und sich einen Platz zwischen den verschnürten
     Papierstapeln, dem Anker und zwei Kisten suchte.
    «Gut. Halte dich fest, alles andere kannst du mir überlassen.» Er drehte sich von ihr weg. «Löst die Halteseile!»
    Ein Ruck ging durch den Korb. Marie-Provence schrie auf, im Glauben, es ginge nun los, doch dann wurde ihr klar, dass die
     Seile zwar von den Bodenankern gelöst worden waren, aber noch von den Männern gehalten wurden.
    André sah sie erwartungsvoll an. Erregung ließ seine Augen funkeln. «Bist du bereit?», fragte er. Als sie nickte, beugte er
     sich vor. «Lâchez tout!», brüllte er. «Loslassen!»
    Marie-Provence schnappte nach Luft. Der Ballon geriet erneut in Bewegung. Schon dachte sie, es sei so weit, als sich der Korb
     zur Seite neigte.
    André beugte sich über den Korbrand und rief scharf: «Ich hab gesagt, alle Seile loslassen! Hört auf zu träumen, da unten!»
    Das letzte Halteseil entspannte sich, und sofort richtete sich der Ballon nach dem Wind. Marie-Provence umklammerte den Korbrand,
     während sich der Garten mitsamt den Menschen immer weiter entfernte. Die Arbeiter johlten, winkten und riefen. Doch Marie-Provence
     brachte es nicht fertig, den Korbrand loszulassen, um zurückzuwinken, atemlos, wie sie war, überwältigt von fremdartigen Empfindungen
     und mit einem seltsamen Gefühl im Magen.
    Die mächtige Polierhalle zog an ihnen vorbei, die verrußten Fassaden des Klosters, die Baumwipfel der höchsten Eichen. In
     gemächlichem Tempo stiegen Marie-Provence und André, bis die Brise sie erfasste und sanft seitwärts drückte.
    Ihr Herzschlag beruhigte sich ein wenig. Sie sah sich um. |124| André Levallois hatte ein Instrument in der Hand, das er aufmerksam studierte.
    «Ein Barometer. Es dient zur Höhenmessung», erklärte er.
    Sie nickte ernsthaft, als sei es das Normalste der Welt, sich mit derlei Dingen zu befassen, und unterdrückte einen Ausruf,
     als sie über die ersten Häuserreihen hinwegzogen. Gebannt sah sie auf die Schieferdächer und den Wald aus Schornsteinen hinab.
     Zu ihrer Rechten erhaschte sie einen Blick auf die place des Piques, wie man die place Vendôme heute nannte, und auf den leeren
     Sockel in ihrer Mitte, den schon lange kein steinerner König mehr zierte. Als sie leicht wie eine Feder über die prächtige
     Häuserzeile glitten, die den Platz rahmte,

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