Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
Vom Netzwerk:
bis auf die paar, die uns nachher helfen werden. Wir haben einhundertvierundvierzig
     Angestellte, und mein Vater achtet sehr genau darauf, unsere Arbeiter gut zu bezahlen und ihnen genügend Freizeit zu lassen.
     Zwei Konkurrenten von uns sind in den Ruin getrieben worden, weil die eigenen Angestellten ihre Lagerhäuser angezündet haben.
     Das soll der Papierfabrik Levallois nicht passieren.»
    Zielstrebig durchquerte er die menschenleere Halle, bis er am Ausgang ankam und die Tür aufriss. Die Sonne durchflutete den
     Raum, tauchte Marie-Provence in goldgelbes Licht. Sie blinzelte geblendet. Er fasste sie am Ellenbogen und führte sie hinaus.
    |118| Das Erste, was sie wahrnahmen, als sie in das gleißende Licht traten, waren Geräusche. Menschliche Stimmen, das Rauschen des
     Windes, Zischen und Knarren wechselten sich in Bruchteilen von Sekunden ab. Schließlich gewöhnten sich ihre Augen an die Helligkeit   – André hielt die Luft an, gespannt auf die Reaktion seiner Begleiterin.
    «Mon Dieu!», schrie diese auf und machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Verblüffung, Faszination, Furcht und Begeisterung
     zugleich zeichneten sich auf ihren Zügen ab.
    Er lächelte und legte den Kopf in den Nacken. Wie immer bewirkte Zéphyrs Anblick, dass sein Herzschlag sich beschleunigte.
     Stolz und zufrieden betrachtete André die gespannten Flanken des Ballons, die perfekte Wölbung des blauseidenen Leibes, auf
     dem ein Gott dargestellt war, der aus prallen Backen goldene Wolkengebirge wegblies. Die gigantische Konstruktion zerrte an
     ihren Seilen, und wie stets übertrug sich dieser offenbare Drang zu entkommen auf André. Der prickelnde Vorgeschmack der vollendeten
     Freiheit breitete sich auf seiner Zunge aus.
    «Alors, wie findest du meinen Zéphyr?», fragte er. Als er in die blitzenden Augen seiner Begleiterin sah, strahlten diese
     heller denn je.
    «Dein Zéphyr? Willst du etwa sagen, dass du ihn gebaut hast?»
    «Entworfen und gebaut, ja.»
    «Er ist wundervoll!», lachte die junge Frau. «Womit ist er gefüllt? Es ist doch kein Heißluftballon?»
    «Nein», antwortete er überrascht. «Er fliegt mit Wasserstoff. Woher weißt du das?»
    Marie-Provence stand da mit weitaufgerissenen Augen, konnte sich offenbar nicht sattsehen an dem Schauspiel. Ihre Begeisterung
     entzückte ihn. Und wie gut er sie verstand!
    Gerade einmal zwölf Jahre war es her, dass Joseph de Montgolfier beobachtete, wie heiße Luft sein zum Trocknen aufgehängtes
     Hemd aufblies. Und noch nicht einmal elf, seit sich zum ersten Mal ein Mensch in einem Ballon in den Himmel erhoben hatte.
     Noch immer sanken Bauern auf die |119| Knie und bekreuzigten sich, wenn sie ein solches Gefährt erblickten, noch immer war man sich nicht sicher, ob die Menschen
     nicht mit Sicheln und Mistgabeln angelaufen kämen, wenn man neben einem Dorf landete, um den Ballon, das vom Himmel gefallene
     Tier der Apokalypse, zu erlegen. Fliegen war der größte Traum der Menschheit, seit vor vielen Hunderten von Jahren in China
     Drachen aufgestiegen waren, die ersten vom Menschen geschaffenen Fluggeräte überhaupt. Man hatte gerade erst begonnen, diesen
     Traum zur Wirklichkeit werden zu lassen. Es gab nichts, was André mehr beglückte, als zu wissen, dass er seinen Beitrag zu
     diesem Traum leistete – und es war wunderbar zu sehen, dass die Frau neben ihm seine Begeisterung teilte.
    «Mein Vater hat einmal den Aufstieg eines Heißluftballons miterlebt», berichtete Marie-Provence angeregt. «Vor zehn Jahren,
     als mit den allerersten Flügen begonnen wurde. Was habe ich damals gebettelt, um mitzudürfen! Aber ich musste mich mit Vaters
     Bericht zufriedengeben. Pilâtre de Rozier und Proust waren die Fahrer. Der Ballon war unter einem Zelt versteckt und schoss
     plötzlich in den Himmel. Mein Vater hat mir eine Gravur mitgebracht, auf der das Luftschiff abgebildet war. Es sah ganz anders
     aus als dieses: Es hatte unten eine Öffnung und eine große Plattform. Mein Vater erzählte, dass die Fahrer ständig etwas verbrennen
     mussten, das sie mit Forken unter die Öffnung warfen.»
    André konnte seine Überraschung kaum verbergen. Ein Zelt? Rozier und Proust? Vor zehn Jahren war ein einziger Flug gestartet,
     der dieser Beschreibung entsprach. Allerdings hatte er vor ausgewähltem adligem Publikum stattgefunden. Verwundert betrachtete
     er seine Begleiterin, doch ihr strahlendes Gesicht ließ ihn seine Fragen vergessen. «Du sagst, du wärst gerne mit

Weitere Kostenlose Bücher