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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Glück haben.»
    «Es sind aber keine Kartoffeln aus dem Elsass, die ich suche. Ich will Kartoffeln aus den Tuileries. Die Convention hat doch
     welche in den Beeten der Tuileries anpflanzen lassen, um den Hunger des Volkes zu mildern.»
    Ein unvermuteter, scharfer Blick schoss über den Brillenrand. «Bedaure, citoyenne. Ich weiß nicht, wo diese Kartoffeln veräußert
     werden.»
    «Wirklich nicht? Wie bedauerlich – dabei warst du mir ausdrücklich empfohlen worden! Von meinem guten Freund, docteur Jomart.
     Dem Arzt der maison de la couche.»
    «Jomart?» Cortey klappte sein Buch zusammen. «Ich habe von ihm gehört. Soll ein fähiger Arzt sein.»
    «Ich bin seine Assistentin. Ich helfe ihm im Waisenhaus und begleite ihn auch des Öfteren während seiner Visiten.»
    «Oh, dann kommst du ja ziemlich viel rum», antwortete der Händler mit freundlicher Reserviertheit. «Eine interessante Arbeit.
     Man hört viel Gutes über das Heim. Gewiss macht es Freude, sich für die Kleinen einzusetzen.»
    |139| «Ja. Und es gibt auch immer wieder einzelne Schicksale, die einen besonders berühren.» Marie-Provence lugte über den Rand
     eines Fasses. Der scharfe Geruch gesalzener Heringe schlug ihr entgegen, und sie zog die Nase kraus. «Es gibt da zum Beispiel
     einen kleinen Jungen, acht oder neun Jahre alt. Ein hübsches, aufgewecktes Kerlchen. Wer weiß, was aus ihm werden könnte,
     wenn er unter anderen Bedingungen aufwachsen würde. Doch es geht ihm schlecht. Er kann sich nicht an die Umgebung gewöhnen,
     in der er lebt.» Da entdeckte sie ein pulvriges braunes Häuflein. Sie stippte hinein und leckte an ihrem Zeigefinger. «Zucker?»,
     rief sie aus. «Du beherbergst wahre Schätze in diesem Laden!» Sie drehte sich zu Cortey. «Ist das Schicksal dieses Kindes
     nicht ergreifend? Dabei weiß ich genau, dass der Junge zwei Onkel hat, die ihn gerne empfangen würden. Zwar ist es ihnen nicht
     möglich, den Kleinen abzuholen, aber wenn ein paar engagierte Bürger sich starkmachen würden, um den Jungen seiner Familie
     zuzuführen   …»
    Jegliche Freundlichkeit war aus Corteys Gesicht verschwunden. Er schnaubte: «Geh nach Hause, Mädchen! Glaub mir, es ist besser
     für uns alle, wenn du dort weiterträumst.» Er warf sein Buch polternd in einen Schrank.
    Marie-Provence schüttelte den Kopf. «Willst du denn gar nicht   …»
    Wütend funkelte Cortey sie an. «Sag Jomart, er soll seine Kartoffeln selber kaufen kommen, statt seine Pflicht auf naive kleine
     Dinger abzuwälzen, die glauben, ein gutes Herz reiche aus, um die Welt zu verbessern!»
    Marie-Provence hob trotzig das Kinn, holte tief Luft und zitierte: «Einhundertvierundneunzig Männer der Nationalgarde und
     vierzehn Artilleriesoldaten bewachen das Areal des Temple. Höchstens die Hälfte dieser Männer erhalten jeweils einen Passierschein,
     der ihnen erlaubt, das Gelände zu verlassen. Das heißt, es befinden sich stets mindestens einhundertvier wachhabende Soldaten
     vor Ort. Zusätzlich kommen drei Mitglieder des Generalrates der commune, die sich im Abstand von vierundzwanzig Stunden abwechseln. |140| Sie bewohnen das Erdgeschoss, schlafen aber im zweiten Stock, direkt vor der Tür der Zelle, während die Soldaten, die zur
     Wache des Turmes abgestellt worden sind, die erste Etage bewohnen.»
    Cortey runzelte die Stirn. Marie-Provence fuhr fort: «Die Schlüssel des Turmes werden in einem Schrank mit zwei verschiedenen
     Schlössern aufbewahrt. Die Schlüssel zu diesem Schrank werden ständig von zwei Männern getragen. Um die Zelle des Kindes zu
     öffnen, wird allerdings kein Schlüssel benötigt, sondern eher ein Schmied, denn diese Tür wurde mit dem Rahmen vernagelt.
     Das Kind lebt von seiner Umwelt völlig abgeschottet und befindet sich in einem schlechten Gesundheitszustand. Es antwortet
     nicht und zeigt kaum Anteilnahme. Sollte ein Fluchtversuch stattfinden, kann nicht mit Kooperation von Seiten des Kindes gerechnet
     werden.» Marie-Provence blies sich eine Strähne aus der Stirn und fragte ein wenig außer Atem: «Hast du vielleicht ein Glas
     Wasser, citoyen?»
    Cortey wich nicht von der Stelle. Er starrte sie ein paar Sekunden lang an. Dann sagte er langsam, jedes Wort betonend: «Wer
     zum Teufel bist du?»
    Marie-Provence zögerte. Ihr war bewusst, dass sie im Begriff war, sich diesem Unbekannten auszuliefern. Doch wenn sie ernst
     genommen werden wollte, hatte sie keine Wahl. «Marie-Provence de Serdaine. Tochter des Chevalier Guy

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