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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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sehr hübsch gesagt.» Er schleuderte das Buch in eine Ecke. «Warum bist du mitgekommen, wenn du doch keinen Sinn für das hier
     hast?»
    Marie-Provence senkte den Blick. André hatte recht. Die |150| Renovierungsarbeiten im Jomarts Büro waren nahezu abgeschlossen. Kurzfristig hatte Jomart sich aber entschlossen, auch noch
     einen Nebenraum tapezieren zu lassen. Sie war heute die Tapeten auswählen gekommen, und André hatte die Gelegenheit genutzt,
     um ihr die Fabrik seines Vaters zu zeigen.
    Marie-Provence hatte das Atelier gesehen, in dem Andrés Zeichnungen mit Hilfe eines geölten Blattes auf einen Druckstock kopiert
     wurden. Sie war an den langen Reihen der Druckertische entlanggeschlendert, auf denen Holzpressen in mehreren Arbeitsschritten
     feinste Muster und Farbschattierungen auf eine Papierrolle übertrugen. Sie hatte die Werkstatt besichtigt, in der Farbe zu
     Pulver gemahlen und nach exakten Anweisungen vermischt wurde. Das alles waren neuartige Eindrücke und Erfahrungen gewesen.
     Doch wirklich interessiert hatte es sie nicht.
    «Ich bin ein Esel», sagte André. Marie-Provence sah zu ihm auf. Gereizt fügte er hinzu: «Wie kann ich erwarten, dass dich
     etwas begeistert, was ich doch selbst nur tue, um meine Ballonfahrten zu bezahlen!» Versöhnlicher fügte er hinzu: «Sehen wir
     uns heute Abend? Wir könnten dem Regen entkommen und ins Theater gehen.»
    Sie verbot es sich, sich einen solchen Abend in seiner ganzen Verlockung auszumalen, und schüttelte stattdessen den Kopf.
     «Es geht nicht.» André machte eine unwillige Geste, und sie ergänzte schnell: «Ich muss zu einer Freundin. Sie ist krank und
     braucht Hilfe.» In der Tat machte sie sich Sorgen um Rosanne. Seit dem Vorfall mit Georges lag die junge Frau stumm auf dem
     Bett und starrte an die Wand. Ihre Teilnahmslosigkeit fand Marie-Provence noch erschreckender als den hässlichen Bluterguss,
     der auf ihrem Unterleib prangte.
    André hatte sich von Marie-Provence abgewandt.
    «Ich muss jetzt gehen», sagte sie zu seinem Rücken. Er reagierte nicht.
     
    Auf dem ganzen Weg nach Hause, während sie unter ihrem Regenschirm kauerte, versuchte Marie-Provence zu vergessen, |151| dass sie André verletzt hatte. Mit dem Ergebnis, dass sie auch nicht ganz bei Rosanne war, als sie ihre Krankenwache hielt,
     und schließlich mit einem Gefühl der Unzufriedenheit und Unzulänglichkeit den Tunnel nach Maisons betrat.
    Es regnete nun schon seit Tagen. Mit Sorge bemerkte sie, dass sich Pfützen auf dem unterirdischen Weg gebildet hatten. Sie
     wusste, starker Regen konnte dazu führen, dass ein Teil des komplizierten Ganggeflechts überflutet wurde. Bereits zwei Nebenschächte,
     die ihre Ausgänge in einem Steinbruch und im Wald hatten, lagen unter Wasser, und in verschiedenen anderen stieg der Pegel
     bedrohlich. Sie hoffte inständig, dass die Verbindung nach Sartrouville nicht beeinträchtigt würde, sonst wäre sie genötigt,
     größere Umwege in Kauf zu nehmen.
     
    Das Abendessen verlief wie immer. Es musste an ihrem Seelenzustand liegen, dass sie sich in dem prächtigen, altmodischen Kleid
     beengt fühlte und keine Lust hatte, sich an den Gesprächen zu beteiligen. Es kam ihr vor, als habe sie alles schon einmal
     gehört, die Ansprüche von Monsieur Clément, die Klagen von Madame de Vezon und die zynischen Bemerkungen ihres Mannes. Vermutlich
     war es auch so, denn den Eingeschlossenen von Maisons gingen in den vielen Monaten, seit sie hier hausten, allmählich die
     Gesprächsthemen aus.
    Einen Lichtblick bildete indes das Abendprogramm. Die Gruppe lebte ganz selbstverständlich nach dem alten Kalender und verpönte
     die Zehn-Tage-Woche der Revolutionäre. Für sie war heute Samstag, und am Samstagabend wurde musiziert und getanzt.
    Die Bewohner von Maisons schnappten sich also die behelfsmäßigen Sitzgelegenheiten, die sonst um den Tisch standen, durchquerten
     die prächtige Empfangshalle und begaben sich in den ersten Stock, in den getäfelten Festsaal des Schlosses. Sie klappten die
     Läden zu und verhängten die Fenster zusätzlich mit alten Pferdedecken, die die Plünderer in einem der riesigen Stallgebäude
     zurückgelassen |152| hatten. Ein gebrochenes Rad wurde verschwenderisch mit acht Kerzen bestückt und mit einer rostigen Kette an einem leeren Lüsterhaken
     an der gewölbten Decke befestigt. Nur in der Mitte tanzte so das Licht auf dem goldenen Parkett, während der Rest des Saales
     in geheimnisvolle Dunkelheit

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