Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
älteren Mannes aufmerksam, aber hoffentlich unauffällig. Er wollte nicht, dass der Senator wegen seines Gesundheitszustands befangen war, und bisher machte seine Krankheit sich kaum bemerkbar. Sutton war ihm
jetzt seit vielen Wochen behilflich, seine ehrgeizigen Untersuchungen zu managen, aber der Senator leistete selbst einen Großteil der Schwerarbeit. Einen allzu großen Teil, der vielleicht sogar einen gesunden Mann überfordert hätte.
»Wollen Sie hören, welche neuen Chancen Sie auf einmal haben?« , fragte Sutton. »Noch nie haben so viele Leute das dringende Bedürfnis gehabt, Ihnen einen Gefallen zu tun.«
»Führen Sie mich nicht in Versuchung, Mann.« Der Senator ließ sich in einen Leder-Ohrensessel fallen, sodass er die Fenster im Rücken hatte. Er zog ein braunes Plastikfläschchen aus der Hosentasche, ließ den Verschluss aufschnappen und schluckte eine ovale gelbe Pille, ohne Wasser nachzutrinken.
»Mal sehen. Heute Vormittag hat Arch Gleeson angerufen – Sie wissen schon, der ehemalige Abgeordnete, der jetzt als Lobbyist für die National Aerospace Industries Association registriert ist. Seine Vereinigung ist plötzlich daran interessiert, Ihnen bei der Beschaffung von Geldmitteln für zukünftige Wahlkämpfe behilflich zu sein.«
»Ah, diese Lobbyisten der Verteidigungsindustrie. Ungefähr so scheu wie ein Waschbär in einem Müllbehälter.«
»Na ja, er hat dezent darauf hingewiesen, dass sie das gleiche Angebot einem möglichen Gegner unterbreiten werden, wenn Sie nicht anbeißen. ›Wir wollen bloß hilfsbereit sein‹, hat er ständig gesagt. Hilf mir, dir zu helfen – sonst kann ich auch anders. Darauf ist’s hinausgelaufen.«
»Ihnen macht Sorgen, worauf der Untersuchungsausschuss stoßen könnte. Oder wie viel Stunk wir machen, wenn wir etwas finden. Kann ihnen nicht verübeln, dass sie versuchen, ihre Interessen zu wahren.«
»Mächtig christlich gedacht«, antwortete Sutton spöttisch grinsend. »Eine andere Firma hat angeboten, Amanda als Vizepräsidentin für interne Kommunikation einzustellen.« Die Frau des Senators war Englischlehrerin in einer High School gewesen;
dies war ein weiterer durchsichtiger Versuch, den Vorsitzenden der Kirk-Kommission zu verpflichten.
»Ich kann mir vorstellen, was Amanda dazu sagen wird«, meinte Kirk schmunzelnd. »Jedenfalls legen sie’s nicht gerade auf Subtilität an.«
»Das Gehalt wäre auch nicht zu verachten. Sie haben sogar die Grenze genannt, bis zu der sie gehen würden.«
»Fragen Sie mal nach, ob sie nicht mich nehmen wollen«, scherzte der Senator. Seit die Kirk-Kommission ihre Arbeit aufgenommen hatte, gingen täglich solche verdeckten Drohungen und Bestechungsversuche ein.
Kirk war bestimmt kein Heiliger. Sutton verübelte ihm zum Beispiel, dass er Ethanol-Programme unterstützte, um einem wichtigen Geldgeber aus der Agrarindustrie einen politischen Gefallen zu tun; andererseits war er sich wie jeder Senatsmitarbeiter der politischen Notwendigkeiten bewusst. Aber im Allgemeinen hatte der Senator sich aus solchen Dingen herausgehalten.
Und nun war sein Blick fest auf den großen Preis gerichtet. Keiner der um Einfluss buhlenden Lobbyisten konnte ahnen, dass er jetzt nicht mehr zu bremsen oder zu beeinflussen war. Außer seiner Frau und seinen engsten Mitarbeitern hatte Bennett Kirk niemandem von der Diagnose erzählt.
Niemand brauchte zu wissen, dass bei Senator Kirk ein malignes, therapieresistentes Lymphom diagnostiziert worden war. Zum Zeitpunkt der Diagnose hatte es bereits Stadium vier erreicht. Er würde nicht mehr lange genug leben, um erneut kandidieren zu können. Also dachte er nur noch an sein Vermächtnis, und die Art Vermächtnis, nach der Senator Kirk strebte, war die Art, die man nicht kaufen konnte.
Sutton beobachtete nur gelegentlich Andeutungen der ständigen Schmerzen, die der Senator hatte, wenn ein subtiles Verziehen seines Gesichts oder ein nicht völlig getarntes Zusammenzucken
flüchtig sichtbar wurden. Ansonsten war Bennett Kirk jedoch entschlossen, alle Krankheitssymptome zu überwinden oder zu ignorieren, bis das Leiden die Dämme seines Stoizismus einriss.
»Gibt es noch was?«, fragte Kirk, indem er Sutton musterte. Er setzte sich anders hin, schlug die Beine übereinander, streckte sie wieder aus und versuchte, eine bequeme Stellung zu finden. Aber es gab keine, die bequem war. Dafür sorgten die Metastasen in den Knochen. »Ich sehe es Ihnen an. Sie haben wieder eine dieser verrückten
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