Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Nachrichten bekommen.«
Sutton zögerte, dann nickte er. »Eine weitere Nachricht von Genesis, ja. Wieder eine E-Mail.«
»Und Sie nehmen diesen Verrückten ernst?«
Der Stabschef nickte feierlich. »Darüber haben wir schon oft genug diskutiert. Aus den bisherigen Mitteilungen geht klar hervor, dass Genesis in alle möglichen tiefen Geheimnisse eingeweiht ist. Ich gebe zu, dass wir’s mit einer ziemlich schemenhaften Gestalt zu tun haben, aber trotzdem sollten wir Genesis sehr ernst nehmen.«
»Was hat dieser Klumpen Ektoplasma diesmal zu sagen?«
Sutton übergab dem Senator einen Ausdruck seiner letzten E-Mail. »Genesis verspricht, uns Informationen zu liefern – Namen, Daten, Täter und mögliche Zeugen. Ein Geschenk des Himmels.«
»Denken Sie an meinen Grundsatz: Einem geschenkten Gaul soll man immer ins Maul schauen. Aber ist das Pferd unsichtbar, kann man schlecht seine Zähne untersuchen.«
»Dieses Angebot können wir nicht einfach ablehnen. Es ist zu gut. Zu wertvoll. Zeug, an das wir niemals selbst herankämen, auch wenn wir noch so viele Ermittler darauf ansetzen würden. Damit können wir eine Verschwörung aufdecken, die allem Anschein nach schon länger existiert, als Sie im Senat sitzen.«
»Oder wir stehen zuletzt erbärmlich im Regen. Ich meine, dies könnte die Mutter aller Dummenjungenstreiche sein.«
»Dahinter steckt zu viel solides Wissen. Zu viele verifizierbare – und verifizierte – Einzelheiten.«
»Sie kennen doch den alten politischen Grundsatz: Auf die Quelle kommt es an. Ich mag nicht mit Geistern kommunizieren. Davon bekomme ich Magenschmerzen.« Senator Kirk musterte seinen Stabschef forschend. »Ich muss wissen, wer Genesis ist. Sind wir damit schon weitergekommen?«
Sutton zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Wir befinden uns in einer unangenehmen Situation. Normalerweise wäre das ein Problem, das wir an FBI und Geheimdienste verweisen würden. Aber das sind natürlich genau die Dienste, deren Arbeit Sie untersuchen.«
Der Senator nickte. »Ich wette, dass einige dieser Hundesöhne sich Genesis liebend gern schnappen würden, bevor ich an ihn herankomme.«
»Wie man hört«, sagte sein Stabschef, »lässt er sich von Leuten sehen … wenn sie sich anschließend von ihm umbringen lassen. Aber so neugierig sind die meisten nicht.«
»Jesus, hoffentlich wollen Sie mich damit nur provozieren.« Der Senator lächelte, aber sein Blick blieb ernst. »Und Genesis will es hoffentlich nicht.«
IM OSTEN URUGUAYS
Javier Solanas tätschelte seinen vollen Bauch, leerte seinen Bierkrug bis zur Neige, sah sich am Tisch um und sagte sich, er sei wohl so glücklich wie noch nie in seinem Leben – wohl so glücklich, wie ein Mann überhaupt sein konnte.
Seine bescheidene Hazienda außerhalb von Paysandú war an sich nichts Besonderes; in Uruguay gab es tausende, die größer und einträglicher waren. Doch er hatte sie eigenhändig aufgebaut, sie aus drei kleinen Farmen zusammengesetzt – er, der
Sohn eines Ziegenhirten! Diese Party fand nicht einmal zu seinen Ehren statt; gefeiert wurde der Geburtstag seiner Frau Elena, mit der er seit vierzig Jahren verheiratet war. Aber das machte alles nur noch besser. Es bedeutete, dass sein Stolz keine Heimsuchung durch den bösen Blick provozieren würde. Und niemand, nicht mal der böse Blick, konnte Elena diesen Ehrentag missgönnen. Fünf Kinder – drei Mädchen, zwei Jungen – hatte Elena ihm geschenkt, alle längst erwachsen, alle mit eigenen Kindern. Er hatte drei Schwiegersöhne, von denen er zwei sogar mochte! Wer hatte schon so viel Glück?
Der Tisch stand voller Platten und Teller mit Essensresten. Zarte uruguayische Lendensteaks waren in der Parilla gegrillt und mit reichlich Chimichurri-Sauce serviert worden. Javier hatte seine eigene Spezialität beigesteuert: Morcilla dulce, eine Blutwurst mit Walnüssen und Rosinen. Und dazu hatte es Elenas berühmte gefüllte Paprika gegeben. Alles war heißhungrig verschlungen, mit großen Mengen von Javiers selbst gebrautem Bier hinuntergespült worden.
Und wie seine hübsche schwarzäugige Elena gestrahlt hatte, als er ihr die beiden Flugtickets überreicht hatte! Sie hatte immer von einer Parisreise geträumt, und jetzt würde ihr Traum in Erfüllung gehen. Morgen starteten sie.
»Das wäre nicht nötig gewesen!«, hatte Elena ausgerufen, und ihr strahlendes Gesicht hatte gesagt: Gott sei Dank, dass du’s getan hast.
Das bedeutete es, ein gestandener Mann zu sein:
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