Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Silbertablett, das durch die Menge zu schweben schien.
»Deshalb wollte ich ehrlich gesagt mit Ihnen sprechen. Wir reden informell miteinander, darüber sind wir uns einig, ja? Ich komme nicht als offizieller Vertreter eines Unternehmens.«
»Wir stehen auf einem Empfang beieinander und essen kleine Schinkendreiecke auf Toast. Was könnte informeller sein?«
»Ich wusste, dass wir uns verstehen würden«, sagte Belknap im Verschwörertonfall. »Was wir zu erfüllen versuchen, ist ein beträchtlicher Auftrag über die Lieferung von Handfeuerwaffen.«
»Dafür hat Grinnell bestimmt seinen Stammlieferanten.« Pärt biss nicht sofort an.
»Stammlieferanten können Spitzen oft nicht abdecken. Manche Leute behaupten, dass ich zu Understatement neige. Ich bilde mir gern ein, mich nur präzise auszudrücken. Wenn ich ›beträchtlich‹ sage, meine ich … genug Material, um fünftausend Mann zu bewaffnen, komplett auszurüsten.«
Der stellvertretende Minister blinzelte. »Unser gesamtes Heer besteht nur aus fünfzehntausend Mann.«
»Das zeigt Ihnen das Problem.«
»Und damit soll was geschützt werden – Industrieanlagen, Bergwerke?« Schwarze Augenbrauen wurden offen zweifelnd zusammengezogen.
Belknap reagierte auf seinen neugierig forschenden Blick mit ausdrucksloser Miene. »Vertrauen Sie mir jemals ein Geheimnis an, Minister Pärt, können Sie sich darauf verlassen, dass es unter uns bleibt. Das gilt für Grinnell ebenso wie für mich persönlich.
In der Sicherheitsbranche hat nur der Erfolg, der als zuverlässig und diskret bekannt ist. Ich verstehe, dass Sie Fragen haben, und hoffe, dass Sie’s mir nicht verübeln werden, wenn ich’s ablehne, sie zu beantworten.«
Der Este starrte ihn durchdringend an, aber nach einigen Sekunden lächelte er anerkennend. »Ich wollte, ich könnte meine Landsleute den Wert solcher Diskretion lehren. Zu meinem großen Bedauern sind die meisten von ihnen nicht entfernt so verschwiegen wie Sie, Roger.« Nachdem er sich mit einem raschen Blick in die Runde überzeugt hatte, dass sie nicht belauscht wurden, sagte er: »Aber Sie haben irgendwie angenommen, ich könnte Ihnen behilflich sein.«
»Mir ist signalisiert worden, Sie könnten den Deal, den wir anstreben, zumindest erleichtern. Ich brauche kaum hinzuzufügen, dass er für alle Beteiligten bestimmt profitabel wäre.«
Belknap erkannte die augenblicklich einsetzende Geldgier des stellvertretenden Ministers; sie kreiste wie eine Droge durch seine Adern und ließ ihn schneller sprechen. »Sie haben von einem ›beträchtlichen‹ Auftrag gesprochen …«
»Beträchtlich«, wiederholte der Amerikaner. Andrus Pärt angelte nach einer Zusage wegen einer Provision. »Daraus resultiert eine ansehnliche Prämie für den … Vermittler.«
»Wir sind natürlich ein kleines Land.« Der Mann stellte ihn auf die Probe, ruckte an der Angelschnur.
»Klein, aber reich an Traditionen, denke ich. Sollte ich mich täuschen, sollte es hierzulande keinen Verkäufer dieses Formats geben, sagen Sie’s mir bitte gleich. Dann suchen wir anderswo weiter. Ich möchte keinesfalls Ihre Zeit vergeuden.« Übersetzung: Stehlen Sie mir nicht meine .
Der stellvertretende Minister nickte einem vorbeigehenden großen, hageren Mann zu. Er hatte schon allzu lange mit dem Grinnell-Manager gesprochen; das konnte auffallen, was nicht sein durfte. »Roger, ich möchte Ihnen gern behilflich sein. Lassen
Sie mich ein paar Minuten nachdenken. Dann reden wir wieder miteinander.«
Damit stürzte der Este sich in eine Gruppe von Chorleitern und Musikbegeisterten. Belknap hörte ihn noch ausrufen: »Eine CD-Box mit den Höhepunkten des Festivals – was für eine wundervolle Idee!«
»Pst!«, hieß es wenig später überall. Auf dem stufenförmigen Podium an der Rückwand des Saals hatte der Empire State Chorus Aufstellung genommen. Die Baritone begannen von einem Ohr zum anderen grinsend mit den Fingern zu schnalzen und dann zu singen. Nach den ersten Takten wurde es im Saal so still, dass der Chor deutlich zu hören war:
Denn nirgends auf der ganzen Welt
Gibt’s einen Ort, der so gefällt,
So recht geliebt aus tiefstem Grund,
Mein teures Heimatland!
Belknap spürte eine Hand auf seiner Schulter, drehte sich halb um und sah den stellvertretenden Ministerpräsidenten neben sich stehen.
»Unsere Nationalhymne«, flüsterte Pärt mit starrem Lächeln.
»Auf die sind Sie bestimmt sehr stolz«, erwiderte Belknap.
»Bitte keine unangebrachte Ironie«,
Weitere Kostenlose Bücher