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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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kalter Wind pfiff durch die Schluchten aus Glas und Stahl, die das Bankenviertel durchschnitten. Die Dunkelheit war sehr nützlich, weil so die verspiegelten Glasfassaden durchsichtig wurden. Trotzdem war es schwierig, die Sicherheitsmaßnahmen des Gebäudes richtig einzuschätzen. Hoch an den vier Erdgeschossecken zeigten Überwachungskameras dem Wachpersonal die Gehsteige und das molluskenförmige Parkhaus, das es sich mit dem benachbarten Bürogebäude teilte. Aber mit welchen Sicherheitsmaßnahmen musste er im Inneren des Gebäudes rechnen?
    Eines stand fest: Heute Nacht hatte er die besten Chancen, unbeobachtet in die Büros einzudringen. Morgen würde der Minister mit seinen Verbindungsleuten bei Estotek telefonieren und ihnen von dem Grinnell-Direktor erzählen; sobald er das tat, war zu befürchten, dass sie die List durchschauen und gewarnt sein würden. Aber im Augenblick konnte Pärt das nicht tun; er würde sich ein langweiliges Benefizkonzert der weltbesten Chöre anhören müssen. Er würde lächelnd Hände drücken müssen. Er würde von seinem neuen Landsitz träumen und sich überlegen, wie er ihn seinen Freunden und Mitarbeitern erklären sollte.
    Belknap überquerte die Straße, zog ein kleines Fernglas aus der Innentasche seines Jacketts, setzte es an die Augen und versuchte, den diensthabenden Wachmann im Foyer zu erkennen. Erst sah er nichts. Dann entdeckte er … einen dünnen Rauchfaden, der hinter einer der Säulen aufstieg. Im Foyer war tatsächlich ein uniformierter Wachmann postiert. Er rauchte gerade eine Zigarette. Und er wirkte müde, als er hinter der Säule hervorkam.
    Der Amerikaner überprüfte rasch seine Erscheinung in einer der verspiegelten Scheiben. Sein dunkler Anzug entsprach der
Rolle, die er spielen würde; die Reisetasche aus schwarzem Leder  – die Tasche mitsamt dem Inhalt verdankte er Gennadi – war etwas größer als die üblichen Aktenkoffer von Geschäftsleuten, aber ansonsten eher unauffällig. Belknap atmete tief durch, marschierte zur Drehtür, hielt seinen Ausweis hoch und verlangte auf diese Weise Einlass.
    Der Wachmann sah verschlafen zu ihm hinüber und drückte auf den Knopf des Türöffners. Wie die meisten Esten in mittlerem Alter war er ziemlich dick – das Ergebnis einer Mastkur mit Schweinefleisch, Fett, Pfannkuchen und Kartoffeln. Er nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette und kehrte an seinen Platz hinter der Granittheke zurück.
    »CeMine«, sagte Belknap. »CeMine Estonia. Elfter Stock.«
    Der Uniformierte nickte gleichmütig, und Belknap konnte sich vorstellen, was er dachte. Ein Ausländer, aber von denen wimmelte es heutzutage in Tallinn. Für das pharmazeutische Unternehmen CeMine war so später Besuch bestimmt ungewöhnlich, aber Gennadi hatte hier angerufen und dem Wachmann in seinem russisch gefärbten Estnisch den Besucher angekündigt. Eine Fehlermeldung erforderte Wartungsarbeiten durch einen Spezialisten.
    »Sie kommen für Reparatur?«, fragte der Wachmann in stockendem Englisch.
    »Die Sensoren melden den Ausfall einer Kühlschlange in der Biosynthese-Einheit. Keine Rast für die Gottlosen, nicht wahr?« Belknap sprach mit selbstbewusstem Lächeln.
    Der Mann wirkte perplex wie jemand, dessen Sprachkenntnisse überfordert sind. Was er dachte, stand ihm jedoch auf die Stirn geschrieben: Einen Ausländer mit wichtigem Auftrag abzuwimmeln konnte ihn den Job kosten. Nach kurzer Bedenkpause schob er ihm das Besucherbuch hin, damit er sich eintragen konnte, wies mit dem Daumen auf die Aufzüge und zündete sich eine weitere Zigarette an.
    Belknap seinerseits spürte, wie seine Nervosität mit jedem Meter wuchs, den der Aufzug ihn in die Höhe trug. Der schwierigste Teil stand ihm jetzt bevor.

RESEARCH TRIANGLE PARK, NORTH CAROLINA
    Gina Tracy spielte mit der schwarzen Locke neben einem Ohr. »Leider hat’s eine Panne gegeben. Echt bedauerlich. Unsere nach Südamerika entsandten Leute haben offenbar den falschen Javier Solanas liquidiert. Könnt ihr euch das vorstellen?« Südamerika schien unendlich weit von den polierten Schieferböden und Milchglasscheiben des Theta-Komplexes entfernt zu sein – und doch wurden alle wichtigen Entscheidungen hier getroffen. Manchmal kam Tracy sich wie in einem Raumfahrt-Kontrollzentrum vor, das auf anderen Planeten abgesetzte Sonden steuerte. »Sie sollten den ekuadorianischen Handelsattaché ausschalten.« Sie warf einen Blick auf das Telegramm auf ihrem Bildschirm. »Stattdessen haben sie

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