Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
verpassen.
Belknap spähte durch das wandhohe Fenster eines Wartebereichs mit Blick auf die Start- und Landebahn und sah auf dem Vorfeld eine startbereite Gulfstream G550 stehen. Offenbar eine Privatmaschine, ein auch für Langstrecken geeignetes Geschäftsreiseflugzeug. Am Seitenleitwerk trug es das dezente, aber unverkennbare Logo der Reederei Stavros Maritime: drei Planetenbahnen um einen Stern, Türkis auf Gelb. Die Triebwerke liefen bereits, und das Flugzeug konnte jeden Augenblick zum Start rollen.
Andrea war an Bord. Diese gesicherte Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag.
Er machte auf dem Absatz kehrt, flitzte an einer der blau gefliesten Säulen vorbei und prallte mit einem uniformierten Wachmann zusammen.
»Oh, tut mir schrecklich leid!«, sagte Belknap mit heftigen entschuldigenden Handbewegungen. Der Uniformierte war wütend, aber er wusste auch, dass es nicht ratsam war, sich mit den
VIPs anzulegen, die in diesem Terminal verkehrten. Also beschränkte er sich wohlweislich darauf, den Amerikaner auf Griechisch zu beschimpfen. Er merkte nicht, dass er um sein Handy, das er in einer Ledertasche an seinem Nylonkoppel getragen hatte, erleichtert worden war.
Belknap, der nur scheinbar außer Atem war, trat an eines der Münztelefone gegenüber den Check-in-Schaltern. Er wählte die Nummer des Flughafens und ließ sich mit dem Kontrollturm verbinden. Dem Fluglotsen, der sich endlich meldete, erklärte er mit halblauter, gutturaler Stimme: »In dem Flugzeug, das vor Terminal vier zum Start rollt, ist eine Bombe versteckt. Fünf Kilo Sprengstoff, Zündung durch den Höhenmesser. Weitere Mitteilungen folgen.« Er hängte den Hörer ein.
Als Nächstes rief er das Büro der amerikanischen Drug Enforcement Agency in der Inselhauptstadt Nikosia an, die gegenwärtig die letzte geteilte Hauptstadt der Welt war. Indem er sorgfältig bestimmte Codewörter und von Profis gebrauchte Abkürzungen verwendete, übermittelte er eine unmissverständliche Warnung: Die in Larnaka startbereite Gulfstream hatte eine große Ladung Heroin an Bord, die letztlich für die Vereinigten Staaten bestimmt war.
Belknap wusste nicht, wer schneller reagieren würde, die DEA oder die Flugsicherung, aber beide würden der Maschine sofort Startverbot erteilen. Er sah auf seine Uhr. Obwohl das DEA-Büro in Nikosia lag, gab es hier auf dem Flughafen eine kleine Außenstelle. Wie lange würde es dauern, sie zu mobilisieren? Er zog sein Taschentuch heraus und wischte unauffällig den Telefonhörer ab.
Er sah wieder zu der Gulfstream hinüber: Die heißen Gasstrahlen ihrer Triebwerke, die nur sichtbar waren, weil sie hinter ihnen liegende Gegenstände verzerrten, nahmen ab. Der Pilot hatte Anweisung erhalten, die Triebwerke abzustellen. Zwei Minuten verstrichen. Drei Minuten. Dann kam ein Van mit
aufs Dach aufgesetztem Blaulicht herangerast, und wenig später folgte ihm ein zweiter. Als Nächstes rumpelte ein Militärlaster mit einer Ladung zyprischer Militärpolizisten heran. Weitere Männer – an ihrer Kleidung erkannte Belknap sie als amerikanische DEA-Agenten – gesellten sich zu ihnen. Die zyprischen Behörden hatten den USA im Kampf gegen den Drogenhandel rückhaltlose Zusammenarbeit zugesichert, und da Zypern amerikanische Militär- und Wirtschaftshilfe erhielt, mussten die Inselbehörden wenigstens so tun, als hielten sie sich an diese Abmachung.
Jetzt hastete Belknap zu einer aufs Vorfeld hinausführenden Stahltür und hielt dem dort stationierten Wachmann flüchtig einen Dienstausweis mit Lichtbild unter die Nase. »DEA«, grunzte er dabei. Er wies mit dem Daumen auf die Aktivitäten auf dem Vorfeld, drückte dann die Tür auf und marschierte über den Asphalt zu der Gruppe aus Agenten und Polizeibeamten, die die Gulfstream umgab. An sich hätte ein Flüchtling wie er sie meiden müssen wie die Pest, aber er wusste aus Erfahrung, dass eine Besprechung von Vertretern verschiedener Dienststellen leicht zu infiltrieren war. Als ob man ohne Einladung an einer Hochzeit teilnähme: Jeder vermutete, man gehöre zur anderen Familie. Außerdem kam nie jemand auf die Idee, bei einer Wolfsversammlung könnte ein Schaf anwesend sein. Die Vielzahl bewaffneter und teilweise uniformierter Gesetzeshüter schien zu garantieren, dass Unbefugte wirkungsvoll abgeschreckt werden würden.
Belknap wandte sich an einen der Männer, der wie ein DEA-Agent aussah. »Bowers, State«, sagte er. Das bedeutete: Mitarbeiter des US -Außenministeriums oder Agent,
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