Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
langen, gelenkigen Arme und spindeldürren Beine wie ein Schweizer Armeemesser zusammen.
»Das weißt du verdammt genau«, knurrte Garrison. »Meines.«
»Du bist der verantwortliche Führungsoffizier«, sagte Oakeshott mit wissendem Lächeln. »Aber wer hat es ausgearbeitet?«
Der Stämmige zuckte mit den Schultern. »Ich.«
Der erfahrene Analytiker sah ihn nur an.
»Pollux und ich«, räumte Garrison, mit den Schultern zuckend, ein. »Hauptsächlich Pollux.«
»Warum nicht gleich so, Will?«, fragte Oakeshott. »Pollux ist ein kluger Kopf, wenn’s um Planung geht. Kein Kerl, der unnötig viel riskiert. Das muss man hier mitbedenken.« Ein Blick zu Drucker hinüber. »Wie hat der Plan ausgesehen?«
»Er war vier Monate lang in verdecktem Einsatz«, sagte Drucker.
»Fünf Monate«, verbesserte Garrison ihn. »Unter dem Namen ›Ross McKibbin‹. Ein amerikanischer Geschäftsmann, der zweifelhafte Geschäfte macht. Angeblich ein Vermittler, der Anlagemöglichkeiten für Drogengelder sucht, die gewaschen werden müssen.«
»Das ist der richtige Köder, um Elritzen zu angeln. Aber das wollte er nicht.«
»Verdammt richtig«, bestätigte Drucker. »Pollux wollte die Szene allmählich unterwandern. Er hatte es nicht auf die Fische, sondern auf die anderen Angler abgesehen. Der Köder hat ihm nur einen Platz am Kai gesichert.«
»Ich verstehe«, sagte Oakeshott. »Praktisch eine Neuauflage von George Habasch.«
Der erfahrene Analyst brauchte nicht weiter zu erläutern, was er meinte. Anfang der Siebzigerjahre hatte der Palästinenserführer George Habasch, Deckname »Doktor«, Terrororganisationen aus aller Welt – darunter die baskische ETA , die japanische Rote Armee, die deutsche Baader-Meinhof-Bande und die iranische Befreiungsfront – zu einem geheimen Gipfeltreffen im Libanon eingeladen. In den folgenden Jahren wurden Habaschs Organisation und der Libanon im Allgemeinen zu bevorzugten Waffenlieferanten des internationalen Terrorismus. Die tschechische Skorpion-Maschinenpistole, mit der Aldo Moro erschossen wurde, war auf dem libanesischen Waffenmarkt gekauft worden. Nachdem der Führer der italienischen Widerstandsgruppe Autonomia mit zwei Strela-Lenkwaffen in seinem Besitz verhaftet wurde, behauptete die PLO tatsächlich, die Lenkwaffen seien
ihr Eigentum, und verlangte ihre Rückgabe. Aber seit dem Fall der Berliner Mauer hatte der libanesische Waffenmarkt, auf dem extremistische Organisationen aus aller Welt die Ausrüstung für tödliche Anschläge kaufen und verkaufen konnten, einen langsamen, stetigen Niedergang erlebt.
Damit war jetzt Schluss. Wie Jared Rinehart und sein Team festgestellt hatten, herrschte auf dem alten Umschlagplatz wieder reges Treiben. Die Welt hatte sich verändert … und war doch wieder in den alten Trott verfallen. Die mit großem Tamtam angekündigte neue Weltordnung war rasch gealtert. Und die Analytiker der Geheimdienste konstatierten, dass bewaffneter Widerstand heutzutage teuer kam: Das Bureau of Intelligence and Research des US-Außenministeriums schätzte, dass die Roten Brigaden für ihre fünfhundert Mitglieder jährlich hundert Millionen Dollar aufwenden mussten. Extremistengruppen hatten heutzutage extreme Bedürfnisse: Flugreisen, Spezialwaffen, Schnellboote für Munitionstransporte, hohe Bestechungsgelder für korrupte Beamten. Das alles kostete Geld, viel Geld. Es gab massenhaft ehrliche Geschäftsleute, die dringend frisches Kapital suchten. Genau das tat auch eine überschaubare, aber bedeutsame Anzahl von Organisationen, die Tod und Zerstörung auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Jared Rinehart – Pollux – entwarf eine Strategie, die ihm gestattete, als potenzieller Geldbeschaffer aufzutreten.
»Spionage ist kein Kinderspiel«, murmelte Drucker nachdenklich.
Oakeshott nickte. »Pollux ist wie gesagt verdammt clever. Wir können bloß hoffen, dass er sich diesmal nicht selbst ausgetrickst hat.«
»Er war dicht dran, hat gute Fortschritte gemacht«, sagte Garrison. »Wie knüpft man enge Beziehungen zur Bankenwelt? Man fängt an, Kredite zu gewähren – dann kommen die Banken freiwillig zu einem, nur um sich selbst ein Bild zu machen. Pollux
hat gewusst, dass einer der Teilnehmer an dieser Besprechung ein Bankier war, der überall mitgemischt hat. Kein Bittsteller, sondern ein Konkurrent.«
»Klingt reichlich kompliziert und ziemlich teuer«, sagte Oakeshott.
Garrison machte ein finsteres Gesicht. »In Ansaris Netzwerk kommt man nicht rein,
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