Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
aufmunternd zu. Die Leute interessierte, ob sie gut gearbeitet hatte, aber nicht, ob sie sich an diesem Tag wohlfühlte. Der Bericht, den sie erstattete, war gründlich, sogar sehr gründlich, das musste sie zugeben. Ihre ersten Dias hatten den Cashflow, die einzelnen Bargeldströme und Kostenschwerpunkte, die Abschreibungen und Aufwendungen, die festen und variablen Kosten der Firma in den letzten fünf Jahren gezeigt.
Andrea Bancroft hatte ihr Graduiertenstudium abgebrochen. Sie war seit zweieinhalb Jahren Junioranalystin bei Coventry Equity; wenn sie Pete Brooks Gesichtsausdruck richtig deutete, konnte sie damit rechnen, befördert zu werden. Aus dem vorangesetzten »Junior« würde »Senior« werden, und ihr Gehalt
konnte noch vor Jahresende im sechsstelligen Bereich liegen. Das war weit mehr, als ihre ehemaligen Kommilitonen im akademischen Bereich in absehbarer Zeit verdienen würden.
»Ein Blick genügt«, sagte Andrea, »um einen eindrucksvollen Anstieg in den Bereichen Einnahmen und Kundenzahlen zu konstatieren.«
Wie Brook gern sagte, war die Coventry Equity Group eine Heiratsvermittlerin. Ihre Investoren hatten Geld; auf den Märkten gab es Leute, die es gewinnbringend einsetzen konnten. Sie waren ständig auf der Suche nach unterbewerteten Anlagemöglichkeiten, zu denen die Privatfinanzierung öffentlicher Aufgaben oder Situationen gehörten, in denen ein Hedgefonds wie ihrer Aktien oder Schuldverschreibungen mit einem Abschlag übernahm. Das war häufig der Fall, wenn finanziell klamme Firmen rasch eine Geldspritze brauchten. AmeriCom hatte sich an Greenwich gewandt, und der für Neuinvestitionen zuständige Manager bei Greenwich war von dieser Idee begeistert. Die Firma schien in überraschend guter Verfassung zu sein: AmeriCom brauche das Geld nicht, um eine Flaute zu überbrücken, hatte ihr Vorstandsvorsitzender erklärt, sondern um die Übernahme eines Konkurrenten zu finanzieren.
»Höher, immer höher hinauf«, sagte Andrea. »Das sieht man auf einen Blick.«
Herbert Bradley, der für Neuinvestitionen zuständige dickliche Manager, nickte mit zufriedener Miene. »Wie ich schon gesagt habe, kaufen wir hier nicht die Katze im Sack«, erklärte er seinen Kollegen. »AmeriCom passt ideal in unser Portfolio.«
Andrea zeigte das nächste Dia. »Nur leider trügt der Schein. Es gibt mehr zu sehen, als auf den ersten Blick sichtbar ist. Fangen wir mit dieser Abschreibungsliste sogenannter Einmalausgaben an.« Diese Beträge waren in einem Dutzend Konten versteckt, aber ihre Zusammenstellung ließ ein unverkennbares,
besorgniserregendes Schema erkennen. »Gräbt man tiefer, stellt man fest, dass diese Firma seit Langem Umwandlungen von Eigenkapital in Außenstände vertuscht.«
Eine Stimme aus dem Hintergrund des Konferenzraums. »Aber wozu? Warum sollte sie das tun müssen?«, fragte Pete Brook, der sich mit der linken Hand den Nacken rieb, wie er’s immer tat, wenn er aufgeregt war.
»Das ist die Eineinhalb-Milliarden-Dollar-Frage, nicht wahr?«, sagte Andrea. Sie konnte nur hoffen, dass das nicht frech klang. »Ich möchte Ihnen noch etwas anderes zeigen.« Sie projizierte ein Dia mit der Entwicklung der Einnahmen und überlagerte es mit einem Dia, das die Anzahl der im selben Zeitraum hinzugewonnenen Neukunden zeigte. »Diese Zahlen müssten sich parallel entwickeln. Aber das tun sie nicht. Sie steigen, ja – aber sie steigen nicht gemeinsam . Zackt eine Kurve in einem Quartal etwas nach unten, zackt die andere vielleicht nach oben. Es sind unabhängige Variablen.«
»Jesus«, sagte Brook. Sein niedergeschlagener Gesichtsausdruck zeigte ihr, dass er verstanden hatte. »Ihre Zahlen sind fingiert, stimmt’s?«
»Weitgehend. Die Akquisitionskosten pro Haushalt treiben sie in die Pleite, weil Anschlüsse von Neukunden so hoch subventioniert werden, dass niemand zum Normalpreis verlängern will. Deshalb haben sie zwei schmeichelhafte Zahlen wie große Banner am Flaggenmast gehisst: Kundenzuwächse und Einnahmesteigerungen. Anscheinend hoffen sie, dass wir sie gemeinsam wahrnehmen und für Ursache und Wirkung halten werden. Aber die Einnahmen sind künstlich aufgebläht, wozu die Umwandlung von Eigenkapital in Außenstände beiträgt, und indem sie Geld verstecken, bleiben die Kundenzuwächse wegen all dieser angeblichen Einmalgebühren zurück.«
»Ich kann’s nicht glauben«, sagte Brook und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
»Das müssen Sie aber. Die Außenstände sind ein
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