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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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war in einem tunesischen Fischerdorf aufgewachsen, das nur hundertfünfzig Kilometer von der Küste Siziliens entfernt lag. Je nach Strömung konnten Fischerboote die Überfahrt von Kap Bon nach Agrigento oder Trapani an einem Vormittag schaffen. In den Küstendörfern östlich von Tunis waren italienische Lire ein ebenso häufiges Zahlungsmittel wie Dinare. Jussuf, der die Fänge seines Vaters an sizilianische Fischhändler verkaufte, sprach schon als Kind so gut Italienisch wie Arabisch. Als Teenager entdeckte er, dass es für jemanden, auf dessen Verschwiegenheit
man zählen konnte, noch weit lukrativere Export-und Importgeschäfte gab. Italien mit seiner hoch entwickelten Kleinwaffenindustrie gehörte zu den weltweit größten Exporteuren von Pistolen, Gewehren und Munition; in Tunesien gab es willige und geschickte Mittelsmänner, die solche Waffen dorthin verschifften, wo erhöhte Nachfrage bestand – heuer vielleicht nach Sierra Leone, im nächsten Jahr in den Kongo oder nach Mauretanien. Der Schmuggel machte Ausfuhrbescheinigungen und ähnliche hilflose bürokratische Versuche, den Waffenhandel einzudämmen, wirkungsvoll überflüssig. Solche Bestimmungen konnten Waffentransporte nicht mehr aufhalten als das Gradnetz einer Seekarte die Meeresströmungen. Hier ging es darum, eine Verbindung zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen  – und die seit Jahrhunderten darauf spezialisierten nordafrikanischen Händler hatten dafür schon immer tunesische Häfen benützt, gleichgültig, ob die Handelsware Salz, Seide oder Schießpulver gewesen war.
    Jussuf Ali hatte selbst etwas von einem wertvollen Exportgut an sich. Erstmals zeichnete er sich bei der Abwehr eines halben Dutzends Banditen aus. Sie hatten es auf eine Ladung Beretta-Pistolen abgesehen, die er auf dem Landweg in ein Lager nach Béja bringen sollte. Er gehörte zu dem Team aus vier jungen Männern, dem die Ladung anvertraut war. Jussuf merkte rasch, dass mindestens zwei seiner Kameraden mit den Banditen unter einer Decke steckten: Sie hatten ihnen Informationen geliefert, zweifellos gegen Bezahlung, und leisteten jetzt nur scheinbar Widerstand, als die Banditen mit gezogenen Waffen auftauchten. Jussuf spielte seinerseits den Gefügigen, öffnete eifrig den Laderaum und zeigte ihnen sogar den Inhalt einer Kiste, bevor er sich plötzlich mit seiner Pistole in der Hand herumwarf. Sie fielen wie die kleinen braunen Vögel, die Pieper und Würger, die Jussuf an langen Nachmittagen in staubigen Landschaften als Ziele gedient hatten.
    Nachdem Jussuf die Banditen niedergeschossen hatte, richtete er seine Pistole auf die Abtrünnigen und konnte ihren Verrat auf ihren ängstlichen Gesichtern lesen. Dann erschoss er auch sie.
    Die Auslieferung erfolgte ohne weitere Zwischenfälle. Und Jussuf Ali merkte, dass er sich einen Namen gemacht hatte. Mit Anfang zwanzig fand er neue Arbeitgeber, die wie so viele kleine Waffenhändler in aller Welt einem größeren, straff organisierten Netzwerk angehörten. Ihm beizutreten bedeutete Wohlstand; ihm zu widerstehen brachte Vernichtung. Den kleinen Waffenhändlern, die Pragmatiker durch und durch waren, fiel die Entscheidung nicht schwer. Ihre Vorgesetzten benützten ihren privilegierten Status dazu, von ihnen die Abstellung von Personen zu fordern, deren besondere Talente sie nutzen wollten. Jussuf Ali kam aus einem Stammesverband, in dem solche Feudalsitten üblich waren: Er akzeptierte die Ausbildung, die er erhielt, mit Dankbarkeit; er akzeptierte die größere Verantwortung, die ihm übertragen wurde, mit nüchternem Ernst. Außerdem hatte sein Arbeitgeber eine Vorliebe für straffe Disziplin, die er mit grausamsten Mitteln durchzusetzen wusste. Seit Jussuf eine Position in Ansaris eigenem Haushalt bekleidete, hatte er oft genug erlebt, welche Strafen andere ereilten, die ihre Pflichten vergessen hatten. Manchmal hatte er an diesen Bestrafungen mitgewirkt.
    Das tat er jetzt wieder. Der junge Wachmann, der betäubt und in eine Besenkammer gesperrt worden war … Die dadurch demonstrierte fehlende Wachsamkeit ließ sich nur als Versagen einstufen. Jusuff hatte ihn wieder und wieder aufgefordert, genau zu schildern, wie er überwältigt worden war. Aber der gedemütigte Wachmann hatte standhaft geleugnet, etwas falsch gemacht zu haben. An ihm musste ein Exempel statuiert werden.
    Jetzt beobachtete Jusuff den jungen Mann, dessen Hände eng auf dem Rücken gefesselt und mit einem Seil um seinen Hals verbunden waren, das

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