Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
blieb ihnen verborgen, blieb unbestimmt wie der Morgennebel, fern wie die Sonne, die ihn wegbrennt. Ihm ging eine Zeile aus einem alten Spiritual durch den Kopf: He’s got the whole world in his hands.
Das Klappern der Tasten ging fast in Umgebungsgeräuschen unter, aber dies waren Geräusche, die von Wissen und Taten kündeten, von den Ressourcen, die nötig waren, um Ersteres in Letzteres zu verwandeln. Dies waren die Geräusche der Macht. In der linken unteren Ecke waren die Tasten COMMAND und CONTROL angeordnet. Das war nicht ironisch zu verstehen, sondern vielmehr angemessen – so empfand es auch die Person, die vor dem Computer saß. Das leise Klappern war in der Tat ein Geräusch, das von Befehlsgewalt und Kontrolle kündete.
Eine letzte verschlüsselte Nachricht ging hinaus. Sie endete mit einer Mahnung: Die Zeit drängt .
Die Zeit, der einzige Faktor, der sich nicht befehlen oder kontrollieren ließ, der anerkannt und respektiert werden musste.
Flinke Finger und sanftes Tastenklappern, als die Signatur getippt wurde.
GENESIS.
Für Hunderte von Menschen in aller Welt war dies ein Name, der ihre Fantasie anregte. Für viele bedeutete er Chancen und förderte ihre Geldgier. Für andere bedeutete er etwas völlig anderes, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren und brachte ihnen Albträume. Genesis . Der Ursprung. Aber wovon?
Kapitel vier
Belknap schlief auf dem Flug nach Rom – er war schon immer stolz auf seine Fähigkeit gewesen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit schlafen zu können, um Energie zu speichern –, aber sein Schlaf war unruhig, von Erinnerungen heimgesucht, sogar gequält. Endlich riss er sich wieder aus dem Schlaf. Die Erinnerungen umschwirrten ihn wie Fliegen einen Kadaver. Er hatte in seinem Leben so viel verloren; er weigerte sich, Rinehart gegenüber ein unseliges Schema einzugestehen: die Vernichtung derer, die er am meisten liebte. Manchmal hatte er das Gefühl, auf ihm laste wie auf Gestalten der griechischen Tragödie ein Fluch.
Einst hätte sein Leben eine andere Bahn nehmen sollen. Belknap, der in früher Jugend Vollwaise geworden war, hatte eine Familie gründen wollen. Schmerzliche Erinnerungen daran tauchten auf, verschwanden wieder im Dunkel, ließen sich nicht greifen und kamen dann zurückgekreiselt, um ihn zu verletzen.
Die Hochzeit fand in kleinem Kreis statt. Einige Freunde und Kollegen von Yvette kamen aus dem Bureau of Intelligence and Research des US-Außenministeriums, in dem sie als Übersetzerin arbeitete; ein paar Kollegen von Belknap, der seit vielen Jahren keine Eltern, auch keine näheren Verwandten mehr hatte. Jared Rinehart war natürlich der Brautführer, und seine unaufdringliche, freundschaftliche Präsenz erwies sich als wahrer Segen. Die erste Nacht ihrer Flitterwochen verbrachten sie in einer Hotelanlage bei Punta Gorda in Belize. Hinter ihnen lag ein wahrhaft zauberhafter Tag. Sie sahen Papageien und Tukane in Palmen sitzen, beobachteten Delfine und Seekühe im azurblauen Meer und staunten über den Ruf des Brüllaffen – der fast
wie das Donnern der Brandung klang –, bevor sie erfuhren, woher er kam.
Vor dem Mittagessen fuhren sie mit einem Boot zu dem kleinen Riff hinaus, das sich etwa einen Kilometer vor dem Strand als weiße Brandungslinie abzeichnete, und entdeckten dort als Taucher eine weitere Zauberwelt. Zu den lebhaften Farben des Korallenriffs kamen noch die Schwärme leuchtend bunter Fische in scheinbar endlosen Variationen hinzu. Yvette kannte ihre Namen, oft sogar in mehreren Sprachen – ein Vermächtnis ihres Diplomatenvaters, der in vielen europäischen Hauptstädten Dienst getan hatte. Sie hatte ihren Spaß daran, ihm die purpurroten Vasenschwämme, die ätherischen Kärpflinge, die Riffbarsche, die Papageienfische zu zeigen – lauter unwahrscheinliche Namen für unwahrscheinliche Lebewesen.
Er hatte sich etwas genähert, das wie ein japanischer Fächer mit zarten weißen und orangeroten Streifen aussah. Yvette berührte seine Hand, und sie tauchten auf. »Das war ein Rotfeuerfisch, Liebster«, sagte sie, während ihre braunen Augen mit dem Wasser um die Wette glitzerten. »Am besten aus der Ferne zu bewundern.« Sie erklärte ihm, dass die Stacheln des Fischs ein tödliches Gift enthielten. »Er sieht wie eine Unterwasserblume aus, nicht wahr? Aber wie Baudelaire so richtig gesagt hat: ›Là où il y a la beauté, on trouve la mort.‹ Wo es Schönheit gibt, findet man den Tod.«
Belize war nicht das
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