Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
schon mit einem besseren Gerät angezapft, als er verwendet hätte. Nun sperrte er die Hintertür mit einem Drahthaken auf – dafür brauchte er fünfzehn Sekunden, nicht seine persönliche Bestzeit, aber
nicht schlecht – und machte einen Rundgang durchs Haus. Bescheiden, aber hübsch eingerichtet; das Haus einer Frau, die auf femininen Schnickschnack verzichtete. Nichts zu rosa oder zu flauschig. Andererseits wies auch nichts daraufhin, dies könnte ein Sündenpfuhl sein.
Nach seiner professionellen Einschätzung gab es in jedem Haus ein paar gute Verstecke für akustische Überwachungsgeräte. Das ideale Versteck musste zwei Voraussetzungen erfüllen: Die Wanze musste schwer zu finden sein und trotzdem Geräusche in guter Tonqualität aufnehmen können. Steckte man sie beispielsweise in ein Wasserrohr, war sie nicht zu finden, aber sie konnte auch nichts aufnehmen. Und die Wanze musste in etwas versteckt sein, das nicht von der Stelle bewegt oder wie ein Blumenarrangement weggeworfen wurde. Er rechnete damit, mindestens ein halbes Dutzend Wanzen installieren zu können – angefangen mit dem Kronleuchter im Esszimmer, der nahezu ideal war. Jetzt stieg er auf einen Stuhl und begutachtete den inneren Messingkreis, der von einem Kreis aus flammenförmigen Glühbirnen umgeben war. Auf der Innenseite gab es eine Vertiefung, wo das Kabel durchgeführt wurde, und dort … Navajo Blue blinzelte. Wieder war ihm jemand zuvorgekommen. Die meisten Leute hätten das Ding für einen abisolierten Kabelstrang gehalten. Aber er wusste genau, was er vor sich hatte – schon wegen der Tatsache, dass die Isolierkappe aus Glas mit zahllosen feinen Bohrungen bestand.
In der folgenden Viertelstunde identifizierte er mehrere weitere erstklassige Verstecke für Überwachungseinrichtungen. Jedes Mal fand er dort bereits ein Gerät vor.
Seine Nerven standen jetzt unter Strom, aber daran war nicht mehr sein Kater schuld. Tatsache war, dass das Haus 42 Elm Street verdrahtet war wie ein gottverdammtes Tonstudio. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Seine Instinkte waren vielleicht etwas abgestumpft, aber sie sagten ihm, er solle schnellstens von hier verschwinden, und genau
das tat er jetzt, indem er das Haus durch die Hintertür verließ und zur Straße zurückging. Er bildete sich ein, aus dem Augenwinkel heraus jemanden gesehen zu haben – jemand, der ihn vom Nachbargrundstück aus beobachtete? –, aber als er sich danach umdrehte, war doch niemand zu sehen. Jetzt stiefelte er zu seinem Pick-up zurück und fuhr davon. Castor hatte gesagt, er werde in ein paar Stunden wieder anrufen. Castor konnte sich auf einiges gefasst machen.
Die Klimaanlage arbeitete auf Hochtouren – er konnte sich nicht erinnern, sie angelassen zu haben –, und er beugte sich leicht nach rechts, um an den Knöpfen der Mittelkonsole herumzufummeln, als plötzlich alles weit entfernt zu sein schien, als habe jemand Raum und Zeit gedehnt. Die Nachmittagssonne schien zu flackern und dunkler zu werden, als habe sich eine Wolke vor sie geschoben, aber ihr Licht wurde immer schwächer und schwächer, dabei gab es keine Wolke, die den Tag zur Nacht machen konnte, und jetzt war es wirklich Nacht, mitternachtsblaue Nacht, und er überlegte, ob er die Scheinwerfer einschalten sollte, und sagte sich, dieser Gedanke mit den Scheinwerfern sei eigentlich unsinnig, und er schaffte es gerade noch, mit seinem Pick-up am Straßenrand zu halten, bevor das unheimliche Dunkel rabenschwarzer Finsternis wich. Nun dachte er überhaupt nichts mehr.
Eine dunkelblaue Limousine mit getönten Scheiben kam unmittelbar hinter dem Pick-up zum Stehen. Die beiden Männer, die vorn ausstiegen – beide mittelgroß und mit mittlerem Körperbau; beide mit mittelbraunem Haar, das sie mittellang trugen; beide eher durchschnittlich bis auf ihre scharf geschnittenen Gesichter –, bewegten sich sehr effizient. Wer ihnen begegnet wäre, hätte sie für Brüder halten können, die sie auch waren. Einer von ihnen öffnete die Motorhaube des Pick-ups und klemmte einen jetzt leeren flachen Behälter von der Klimaanlage ab. Der andere öffnete die Fahrertür, wobei er darauf achtete, die Luft anzuhalten,
und zog den Toten heraus. Sein Bruder würde den Pick-up zu der ihnen bekannten Adresse in New Hampshire zurückfahren, aber zuvor half er ihm noch, den Toten in den Kofferraum der Limousine zu schaffen. Auch die Leiche würde in das Haus des Mannes gebracht und dort in einer
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