Die Bank
unbedingt schreien, was?« fragt Charlie, als Gillian und ich an dem Kiosk vorbeilaufen.
»Ich? Ich war schließlich nicht derjenige, der …« Ich unterbreche mich und konzentriere mich wieder auf Gallo. Er kämpft sich durch die Menschenmenge. Wir sind beinahe am Ende der Fahnenstange. Vor uns endet der Weg vor einem hüfthohen hölzernen Drehgitter. Und hinter uns kommt Gallo immer näher.
»Hier lang!« Gillian deutet nach rechts.
Charlie schüttelt den Kopf. Es spielt keine Rolle, ob sie recht hat, er will ihr keine Chance lassen. Er reißt das Holzgitter auf und läuft eine Auffahrt hinauf. Dabei rennt er direkt auf die grüne Holzwand zu, die den ganzen Park umringt. Sie ist mindestens zwei Meter fünfzig hoch. Da kommen wir nie im Leben rüber.
»Ist er übergeschnappt?« fragt Gillian.
»Charlie, halt!« Ich renne hinter ihm her. »Das ist eine Sackgasse!« Als er den Scheitelpunkt der Auffahrt erreicht, senkt sich die Straße zu der grünen Wand hinab. Von meinem Standort aus, direkt hinter dem Gatter, hat er keinen Ausweg mehr. »Komm da raus!« schreie ich, doch Charlie läuft weiter.
Aber als ich den Scheitelpunkt der Auffahrt erreiche, sehe ich endlich, was ihn dorthin gezogen hat. Es ist mir erst gar nicht aufgefallen. Es ist das kleine Schild an der Wand mit der Aufschrift: Nur für Mitarbeiter.
»Wow!« Gillian hat es auch gesehen.
Vom Tor konnten wir es nicht erkennen, weil der Winkel zu ungünstig war, aber vom höchsten Punkt der Auffahrt bemerken wir, daß es sich nicht um eine Wand handelt, sondern um zwei Wände, die sich überlappen. Dabei lassen sie einen Zwischenraum frei. Charlie läuft weiter, schlägt einen Haken nach rechts und verschwindet. Es ist keine Sackgasse, sondern nur eine weitere optische Illusion.
Ich folge Charlie auf seinem Zickzackkurs durch den Spalt und laufe einen langen, gepflasterten Weg entlang. Hier sieht es aus wie auf einem Firmengelände. Der Park hinter uns verblaßt, und seine Farben und Musik werden durch grauen Zement und eine Stille ersetzt, die nur ein gelegentliches Knarren durchbricht. Neben uns dringen scharfe Gerüche aus einem grünen Gebäude. Hier also entsorgt Disney seinen Müll. Charlie läuft zunächst darauf zu. Wenn wir einfach weglaufen wollen, müssen wir uns verstecken. Aber der Gestank zwingt ihn auf den Weg zurück. Mein Bruder ändert den Kurs und wendet sich zur Rückseite des Platzes.
Was uns dort erwartet, ist allerdings auch nicht besser. Hier stehen nur einige Baucontainer und ein altes Lagerhaus, an dem ein blaues Schild hängt: Magisches Königreich – Dekoration.
»Die Bauwagen …« schlägt Gillian vor.
Charlie läuft sofort zum Lagerhaus. Er ist ein paar Schritte vor mir und blickt über die Schulter zurück, um zu überprüfen, ob Gallo schon durch das Tor gekommen ist. Nun sehe ich sein schmerzverzerrtes Gesicht. Es ist so grau wie der Zement und vollkommen erschöpft. Gillian und ich holen auf. Selbst wenn er seine Medikamente genommen hätte, könnte er nicht mehr schneller laufen.
Noch ein paar Schritte, Bruderherz. Wir sind fast da.
Vor dem Lagerhaus sind fünfzehn Paradewagen fein säuberlich in drei Reihen unter einer rostigen Metallmarkise abgestellt. Der Geruch von frischer Farbe empfängt uns, und neben den glitzernden Wagen sagen uns die leeren Farbeimer, wo die Maler sind. Es ist Trocknungszeit. Hier ist niemand.
Wir stürmen an den Wagen vorbei und ducken uns in den Eingang des riesigen Tores des Lagerhauses. Drinnen sieht es aus wie in einem Flugzeughangar. Eine himmelhohe Decke, ein gewölbtes Dach und jede Menge Staub und Dunkelheit. Aber statt Flugzeuge stehen hier noch mehr Paradewagen. Fünf Reihen belegen die rechte Seite des Hangars, aber im Gegensatz zu denen vor der Garage hängen an diesen hier riesige Weihnachtslichterketten. Disneys Electric-Light-Parade. Bei Nacht ist das hier alles erhellt. In dem schattigen Lagerhaus jedoch und im Dunkeln wirken die Wagen wie tot.
Links von uns stapelt sich auf dem Boden ein riesiger Haufen von übriggebliebenen Gegenständen. Riesige Schaukelpferde, eine überdimensionierte Schatzkiste von Aladin, zwei Popcorn-Karren, Kronleuchter und sogar einige Discobälle, die in einer Ecke verstaut sind.
Wir drei verschwenden keine Zeit und …
In der Ferne hören wir gedämpfte Schritte.
Charlie und ich sehen uns an. Er schlägt sich nach links, und Gillian zerrt mich nach rechts. Ich wehre mich, doch Gallo ist schon zu nah. Es wird Zeit, sich zu
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