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Die Bank

Die Bank

Titel: Die Bank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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in eine schmale Gasse, die an der Seite des Hauses verlief und in der die drei Plastikmülleimer standen, in die Oliver und seine Nachbarn ihre Abfälle entsorgten.
    Joey trat rasch in die Gasse und zählte elf Fenster, von denen aus man die Mülleimer sehen konnte. Vier befanden sich in Olivers Haus, vier in dem Gebäude daneben und drei in einem Haus auf der anderen Straßenseite. Es wäre für Joeys Zwecke sicher besser gewesen, nachts hierherzukommen, aber bis dahin hätte der Service die Tonnen bestimmt schon durchwühlt. Das waren eben die Regeln beim Mülleimerrennen: Wer zuerst kommt, wühlt zuerst.
    Joey verschwendete keine Zeit, zog den Mantel aus und legte ihn zur Seite. Am obersten Knopf ihrer Bluse war ein kleines Mikrofon befestigt, von dem ein Draht zu ihrem Handy führte, das sie am Gürtel befestigt hatte. Sie steckte sich den Minilautsprecher ins Ohr und drückte auf die Send- Taste. Während es am anderen Ende läutete, öffnete sie rasch, einen nach dem anderen, die Deckel der drei Mülltonnen.
    »Hier spricht Noreen«, antwortete schließlich die Stimme einer jungen Frau.
    »Hi, ich bin’s«, gab Joey zurück und streifte sich ein paar Latexhandschuhe über. Das hatte sie bei ihrem ersten Tauchgang in Mülleimern gelernt. Damals hatte man ein neugeborenes Baby darin vermutet, doch Joey hatte statt dessen eine Handvoll Windeln zutage gefördert. Gebrauchte Windeln.
    »Und? Wie wirkt die Gegend so?« erkundigte sich Noreen.
    »Ihre Blütezeit hat sie lange hinter sich«, meinte Joey, während sie die schäbige Hauswand und das gesprungene Fenster im Erdgeschoß musterte. »Ich hatte eine typische Gegend für elitäre Jung-Bankiers erwartet, aber hier sieht’s eher wie in einem Arbeiterviertel aus.«
    »Vielleicht hat er ja deshalb das Geld genommen. Er hatte es satt, zweitklassig zu sein.«
    »Ja … vielleicht.« Joey war froh, daß Noreen so mitfühlend war.
    Noreen hatte ihr Jurastudium in Abendkursen absolviert und den ersten Monat damit zugebracht, sich eine Abfuhr nach der anderen von Washingtons großen Anwaltskanzleien einzuhandeln. Die nächsten Monate verbrachte sie damit, sich auch von den mittleren und kleinen Kanzleien Abfuhren zu holen. Im vierten Monat rief ihr alter Rechtsprofessor einen guten Freund bei Sheafe International an. Sie ist eine erstklassige Studentin. Auf den ersten Blick wirkt sie zwar ein bißchen wie eine graue Maus, aber sie ist ziemlich ehrgeizig … Wie Joey damals, als ihr Dad sie vorbeigebracht hat. Das waren die magischen Worte, und eine gefaxte Bewerbung später hatte Noreen einen Job und Joey eine neue Assistentin.
    »Fertig zum Tanz?« fragte Joey.
    »Forder mich auf!«
    Joey griff in den ersten Mülleimer und riß den Müllsack auf, der ganz oben lag. Der Geruch von Filterkaffee drang ihr entgegen. Sie zog den Sack näher zu sich heran, um besser hineinsehen zu können, und suchte nach etwas, was einen … Da war es schon. Eine Telefonrechnung. Sie war mit feuchtem Kaffeesatz bekleckert, aber sie lag ganz oben an. Joey wischte den Kaffeesatz weg und entzifferte den Namen auf der Adresse. Frank Tusa. Gleiche Adresse. Apartment 1.
    Der nächste.
    Der Beutel darunter war ein dunkler Plastiksack, aus dem nach dem Öffnen der Gestank verfaulter Orangen hochstieg. Ein Umschlag war adressiert an Vivian Leone. Apartment 2.
    Weiter.
    Der mittlere Mülleimer war leer. Blieb also nur noch der rechte, in dem ein billiger, beinah durchsichtiger weißer Müllbeutel mit einer dünnen roten Schnur lag.
    »Bist du schon fündig geworden?« erkundigte sich Noreen.
    Joey antwortete nicht, sondern riß den Beutel auf und starrte hinein. Sie hielt den Atem an, als der Duft zwei Tage alter Bananenschalen sie begrüßte. »Oh-oh.«
    »Was?«
    »Er recycelt.«
    »Was meinst du mit ›er‹?« wollte Noreen wissen. »Woher willst du wissen, daß es Olivers Müll ist?«
    »Es gibt hier nur drei Wohnungen, und er haust in der billigsten im Souterrain. Vertrau mir, es ist sein Müll.« Joey warf einen kurzen Blick zu den Fenstern, zog eine schwarze Mülltüte aus ihrer Tasche, legte sie in den leeren Mülleimer und warf Olivers braune Bananenschalen hinein. Sie war Anwältin und wußte, daß sie sich völlig legal verhielt. Sobald man seinen Müll vor die Tür gebracht hatte, durfte jeder damit spielen. Trotzdem war es nicht unbedingt klug, jeden Schachzug, den man tat, zu verraten.
    Joey grub sich Stück für Stück durch den Müll, schnappte sich alte Spaghetti und

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