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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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gehen.
    Die Fistelstimme! Er lachte gackernd und sagte: »Du warst fort, Drecksau! Wo warst du?«
    »Hören Sie zu, Sie verdammtes Arschloch«, schrie David in den Hörer, »wenn Sie nicht umgehend mit diesen Anrufen aufhören, werde ich Sie anzeigen!«
    »Tz, tz, tz, wer wird denn gleich?! Wen willst du denn anzeigen? Du kennst mich doch gar nicht. Aber ich kenne dich. Ich kenne jeden von deiner Bande. Und keiner wird ungeschoren davonkommen. Bye, bye, und träum süß, Drecksau!«
    David schluckte schwer. Die Fistelstimme hatte aufgelegt. Hing die Müdigkeit eben noch wie ein bleierner Mantel über ihm, so hatte die Fistelstimme sie auf einen Schlag beseitigt. Er begriff es nicht. Wie gut, daß dieser Kerl nichts vom Aufenthaltsort von Johanna und den Kindern wußte. Und doch hatte David Angst. Die Einsamkeit der Wohnung schien ihn schier zu zerquetschen. Er nahm einen kräftigen Schluck aus der Whiskyflasche.
     
    David schlief rasch ein, wachte aber nach zwei Stunden wieder auf. Der Alptraum! Noch intensiver, noch bedrohlicher denn je zuvor, in unglaublich grellen, schrecklichen Farben gezeichnet, die bekannten Gesichter lachend und dann mit einemmal zu schrecklichen Fratzen werdend, das Bersten und Zischen und Krachen des brennenden Hauses, im Traum glaubte David, der Brandgeruch fülle seine Lungen und lasse ihn langsam ersticken. Ein eiserner Ring lag um seine Brust, er setzte sich auf, die Bettdecke klebte an seinem nackten Oberkörper. Der kleine, böse Mann in seiner linken Schläfe stach in wildem Stakkato zu, David würgte, ohne sich übergeben zu müssen.
    Draußen war alles still, nur ein paar schnell vorbeiziehende klappernde Stöckelschuhe hallten vom Bürgersteig wider. Fernes Donnergrollen, bedeckter Himmel. Im Haus gegenüber ging ein Licht an. Ein Blick zur Uhr, halb zwei. David hatte Durst, seine Blase schmerzte, er hatte am Abend drei Flaschen Wasser getrunken, um den Wasserverlust während der Tageshitze zu kompensieren. Nachdem er sich entleert hatte, machte er leise die Stereoanlage an und legte eine Platte von Chris Rea auf. Er wollte einfach nur entspannen und nachdenken. Er hätte schon wieder duschen können, diese verfluchte Hitze! Er sah kurz in Alexanders Zimmer nach, das Fenster war geöffnet, der Vorhang bewegte sich leicht unter dem Luftzug. Alexander war zurück, lag abgedeckt und nur mit einer Unterhose bekleidet im Bett und hustete in Intervallen.
    Dieser Traum machte einfach keinen Sinn. Eine unheimliche Kette schicksalhafter Ereignisse zog sich immer dichter zu. Wenn in seinem Leben bisher auch wenig gestimmt hatte, bis auf die Jahre, seit er Johanna kennengelernt und zum Millionär aufgestiegen war, so schien sich doch vieles jetzt wieder zum Besseren zu wandeln – doch jetzt kam eine neue, bösartige Komponente des Verlusts hinzu. Aber das war beileibe nicht alles, woran David dachte, als im Hintergrund leise die schmelzende Stimme von Chris Rea erklang und er am Fenster stehend die schwüle, schwere Nachtluft einatmete. Seine Gefühle spielten ihm einen Streich. Kein einziges Mal in zwanzig Jahren hatte er die Ehe gebrochen, und dann kam Nicole, und er ließ sich wie eine Hure kaufen und vögelte sie voller Lust und Wonne und ließ sich dabei von ihr noch demütigen und verhöhnen, wenn es auch Momente gab, in denen er seine Hände um ihren Hals hätte legen mögen, um ihr die Lebensluft wie einen Wasserhahn abzudrehen. Er hatte zu saufen begonnen, und nun war eingetreten, was nie eintreten sollte, er hatte sich auch noch verliebt, scharwenzelte um eine aus dem Nichts aufgetauchte Zauberfeeherum, und statt sie mit respektierlichem Abstand wie eine weitere Tochter zu behandeln, suchte er ihre Nähe und buhlte um ihre Liebe, verging seit Tagen keine Stunde, in der seine schwülstigen Gedanken nicht in irgendeiner Form um sie kreisten. Wenn dies, was er erfuhr, Liebe war, dann hatte er in seinem ganzen Leben nie zuvor geliebt, denn was er jetzt empfand, hatte er nie bei Johanna gefühlt. Bei ihr war es Geborgenheit und Ruhe und die Gewißheit, es mit der Erfahrung einer reifen Frau zu tun zu haben, die allerlei Höhen und Tiefen durchlebt hatte; bei ihr mußte er nicht viel dazutun, um sie zufriedenzustellen. Er war als Junge nie verliebt gewesen, hatte nur ein paarmal aus weiter Ferne geschwärmt für ein paar Mädchen, die kamen und gingen und nie auch nur einen Blick an ihn verschwendet hatten, denn er war ja so schüchtern und stotterte, vor allem, wenn er aufgeregt war.

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