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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Müller schon mit allen Frauen etwas gehabt. Wo immer das geschehen sein mochte, bei ihm zu Hause, bei den Damen oder nur auf einer der Firmentoiletten. Selbst die Badura, dieses fette Schlachtschiff auf krummen, krampfadrigenBeinen und mit diesem ständig verkniffenen Zug um den schmalen, leichenblassen Mund und dem fettesten Hintern, den David je zu Gesicht bekommen hatte, war von Müller schon bearbeitet worden. Zumindest vermutete David das, denn als Müller vor über einem Dreivierteljahr hier anfing, lästerten alle über diesen gelackten Schönling mit dem gegelten Haar, doch eine nach der anderen hörte schon bald auf mit der Lästerei, im Gegenteil, bald hieß es nur noch Müller hier und Müller da, und selbst die Badura, diese griesgrämige alte Jungfer, die an niemandem ein gutes Haar ließ, kam eines Tages wohlgelaunt und lachend in die Firma, grüßte jeden freundlich, was sie nie zuvor getan hatte, und besonders als Müller kam, überschlug sie sich vor Freundlichkeit. Jetzt stand die Badura am Kopierer, begrüßte David mit einem dahingemurmelten »Guten Tag«, das David mit der gleichen Freudlosigkeit erwiderte.
    Er verkroch sich im Büro, riß das Fenster auf, das auf einen dreckigen Hinterhof zeigte, der nachts ein gefährliches Pflaster war. Es war ein quadratischer, unansehnlicher, häßlicher, grauer, alter, kopfsteingepflasterter Hof, auf drei Seiten von je vierstöckigen Häusern eingerahmt, entlang der vierten Seite zog sich eine etwa zwei Meter hohe Backsteinmauer, an der vier überquellende Müllcontainer standen. Es stank nach Unrat. Zwei der Häuser beherbergten ausschließlich das horizontale Gewerbe, meist ältere, abgetakelte Huren, die ihre von Alkohol oder Drogen aufgedunsenen, schmuddeligen, unappetitlichen Leiber durch Schaufenster den Vorübergehenden präsentierten. Grellgeschminkte Gestalten der Nacht, die tagsüber mit ihren oft tiefschwarz gefärbten Wimpern und Augenbrauen, blutroten Fingernägeln, von denen der tagealte Lack wie alter Putz von einem baufälligen Haus abbröckelte, etwas Dämonisches ausstrahlten, die ihre teils riesigen Brüste in viel zu enge Tops preßten, die oft fetten, zellulitischen Schenkel unter meist nur gürtelbreiten Minis und in durch Laufmaschen verunziertenNylons zur Schau stellten. Einige wenige Male war David durch diese kleine, enge Seitenstraße gegangen, eine andere Welt, ein Fabelreich mit seltsamen Wesen, die ihr Dasein auf diesen wenigen Quadratmetern Tristesse fristeten. Und vielleicht war unter den Huren sogar die eine oder andere, die seit Jahren ihren Fuß nicht mehr auf das Land außerhalb ihres Bezirks gesetzt hatte. Wenn David dieses winzige Ghetto durchstreifte, dann, um mit verstohlenem Blick die illusionslos dahockenden Damen des beischlafenden Gewerbes in ihren Fenstern zu beobachten, nach den Männern, meist Ausländern, zu schielen, die mit ihnen wie auf einem Basar verhandelten, die entweder nicht genug Geld hatten, sich saubere, anständige Huren zu leisten, oder denen es nur darauf ankam, sich von dem Druck in den Lenden zu befreien, die Einsamkeit für wenige Minuten in einer warmen, behaglichen Höhle abzustreifen. Zwei Bordelle, zwei Sexshops und auf der gegenüberliegenden Seite ein Schrottplatz – und irgendwie war es ein harmonisches Bild, zusammen mit der löchrigen, seit Ewigkeiten nicht ausgebesserten Straße, den teils kaputten Neonbuchstaben über den Etablissements, diesem in der Luft hängenden, süßlichen Geruch von Sperma – zumindest meinte David, es riechen zu können –, vermischt mit den exotischen Gewürzen südländischer oder orientalischer Küche. Er warf einen kurzen Blick in den Hof, an der Mauer stand schwankend ein Betrunkener und urinierte. David goß die beiden nach Wasser lechzenden Grünpflanzen. Er hatte keine Lust zu arbeiten, öffnete die zwölf Briefe auf seinem Schreibtisch, nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer von Holbeins Büro. Bat um ein kurzes Gespräch. Holbein sagte, er hätte gerade Zeit. David blieb mitten im Büro stehen. »Tut mir leid, dich zu stören, aber ich möchte dich bitten, mir drei Wochen Urlaub zu geben. Du weißt ja inzwischen selber, was bei uns zu Hause los ist.«
    Holbein lehnte sich zurück und nickte. »Klar bekommst dudeinen Urlaub. Wir werden auch mal drei Wochen ohne dich zurechtkommen. Ich hoffe für dich und deine Familie, daß das Schwein bald gefaßt wird. Von mir aus kannst du deinen Urlaub gleich antreten.« Er machte eine

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