Die Bankerin
holten das Sparbuch aus dem in T-Form gebauten Haus in Hamburg. Ein parkähnliches Gelände mit hohen, ausladenden Bäumen und vielen Büschen, einem riesigen Swimmingpool und Rasen, so weit das Auge reichte, schlossen sich am hinteren Teil an. Die Fenster waren allesamt vergittert, zusätzlich als Schutz vor Einbrechern die Rolläden heruntergelassen, ein Videoüberwachungssystem war, so Esther, direkt mit der nächsten Polizeidienststelle verbunden, zusätzlich gab es Lichtschranken, die nur mit dem passenden Schlüssel deaktiviert werden konnten, sowie Bewegungsmelder. Das Personal war in Urlaub, Esther sagte, nur einmal am Tag würde ein Mann von der Wach- und Schließgesellschaft nach dem rechten sehen. Sie begab sich zielstrebig zum Tresor, stellte mit blinderSicherheit die richtige Kombination ein und holte ihr Sparbuch heraus.
»Sieh dich um, wenn du magst, nimm dir was zu trinken, mach dich frisch«, sagte Esther. »Fühl dich einfach wie zu Hause.« Sie liebten sich im Wohnzimmer, sie aßen und tranken, und um ein Uhr verließen sie Hamburg wieder.
»Wie ich sagte, etwas über vierhunderttausend Mark. Wann hauen wir ab?«
»Bald«, sagte David.
»Noch vor dem Ferienende«, sagte Esther bestimmt.
»Ja, noch vor dem Ferienende.«
Montag, 17.45 Uhr
Thomas rief am frühen Abend an, kurz nachdem David aus Hamburg zurückkam – seine Stimme klang freudig erregt, zumindest hatte David ihn so seit dem an ihm begangenen Verbrechen nicht erlebt –, um mitzuteilen, daß sie es zweimal hintereinander geschafft hätten, ihn unter Hypnose zu setzen, und das Ergebnis sei eindeutig:
Er war unschuldig!
David hatte immer gewußt, daß Thomas ein guter, rechtschaffener junger Mann war, der weder etwas mit Drogen noch mit anderen unsauberen Geschäften zu tun hatte.
»Wann wirst du kommen und mit dem Arzt sprechen?« fragte Thomas ungeduldig.
»Morgen, ist er morgen da?«
»Ja, er hat morgen Dienst. Er ist aber auch heute noch bis um halb neun da …«
David blickte zur Uhr, und als ob Thomas es durch das Telefon sehen konnte, sagte er schnell: »Entschuldige, ichhabe vergessen, daß du heute ja noch arbeiten mußt. Der Arzt wird dir morgen genau erklären, was gemacht wurde, und er soll dir das Tonband vorspielen.« Doch plötzlich wurde seine Stimme leise und verzagt. »Aber jetzt macht das alles noch weniger Sinn, Vater. Warum wurde ich zusammengeschlagen, warum hat man mir das Kokain und das viele Geld zugesteckt? Ich grübele jetzt schon den ganzen Tag und komme zu keinem Schluß. Hast du eine Ahnung?«
»Jetzt kann ich dir’s wohl sagen, Thomas«, sagte David, hielt inne und sortierte seine Gedanken. »Mutti ist mit Nathalie und Maximilian an die Ostsee gefahren, weil sie hier in Gefahr sind. Wir werden seit einiger Zeit mit Drohanrufen bombardiert, der Anrufer sagt, er würde uns alle fertigmachen. Und noch etwas, Nathalie ist vergewaltigt und zusammengeschlagen worden, sie liegt im Krankenhaus. Es geht ihr sehr schlecht. Auch das war wohl das Werk derselben Männer, die dich zusammengeschlagen haben.«
»Das ist nicht wahr, oder?« fragte Thomas fassungslos. »Und Alexander und du? Warum seid ihr noch hier? Haut doch ab, damit sie euch nicht erwischen!«
»Das geht nicht, Thomas, und das weißt du. Ich kann meine Arbeit nicht im Stich lassen. Und ich fürchte, wo immer wir hingehen, sie wissen es. Sie beobachten wahrscheinlich jeden unserer Schritte, und wir haben keine Chance. Und die Polizei tappt im dunkeln. Sie haben keine Spur, die auch nur im entferntesten zum Täter führen könnte. Wir sind verflucht, Thomas, durch irgend etwas sind wir verflucht! Es gibt irgendwo in dieser Stadt eine Person, die uns bis aufs Blut haßt, und diese Person wird keine Ruhe geben, bis sie nicht einen jeden von uns gebrandmarkt hat. Wir sind Abschaum, wir müssen allein klarkommen. Doch das verstehst du wahrscheinlich noch nicht. Und bevor du etwas sagst – ja, es ist meine Schuld, daß wir hier gelandet sind. Ich bin das Oberhaupt der Familie, und ich hätte mich mehr um euch alle sorgen müssen. Jetzt ist es leider zu spät.«
»Vater, ich habe dir nie einen Vorwurf gemacht, das weißt du. Im Gegenteil, ich war dir eigentlich immer dankbar für alles, was du für Mutti und mich getan hast. Es ist nicht allein deine Schuld. Ich habe ein gutes Buch gelesen, und darin heißt es, daß manche Menschen geboren werden, um zu leiden. Es stimmt, Vater, manche Menschen kommen auf diese Erde und durchschreiten von Anfang
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