Die Bankerin
Schlafzimmer?«
»Haben Sie Angst vor den Leuten? Daß jemand etwas hören könnte?«
»Nein, aber …«
»Doch, genau davor haben Sie Angst. Was soll’s, das kriegen wir schon hin.« Sie ging zurück ins Wohnzimmer und setzte sich auf ihren angestammten Platz, er folgte ihr.
»Könnten Sie mich lieben?« fragte sie. Er war erstaunt über die Frage, doch er reagierte nicht, tat, als hätte er die Frage nicht gehört.
»Ich habe Sie etwas gefragt!«
»Was?«
»Ob Sie mich lieben könnten?«
»Ich verstehe nicht …«
»Mein Gott noch mal! Ich habe Sie gefragt, ob Sie imstande wären, mich zu lieben!«
»Ich kenne Sie doch kaum! Ja, doch, körperlich, aber …«
»Sie wissen genau, daß ich von etwas anderem spreche. Ich spreche von meiner Seele.«
»Was soll diese Frage?«
»Nichts, ich wollte nur meine Neugier befriedigen. Verschieben wir’s auf ein andermal.«
»Wir hatten andere Bedingungen ausgemacht.«
»Und was, wenn ich die Bedingungen ändern würde? Wennich, sagen wir, eines Tages behaupten würde, ich würde Sie lieben. Als Ganzes, so wie Sie sind. Was dann?«
»Hören Sie doch auf damit! Ich würde meine Frau betrügen, und das könnte ich nicht!«
»Sie Idiot! Sie betrügen Ihre Frau so oder so! Auch wenn es nicht genau das gleiche ist, als wenn Sie mich lieben würden. Sie kennen mich erst seit gestern. Was, wenn Sie mich länger kennen?«
»Dann …« Er hielt inne.
»Was dann?«
»Dann liebe ich Sie vielleicht noch weniger.«
»So, und warum?« fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Weiß nicht, war dumm von mir, das zu sagen.«
»Ich helfe Ihnen. Weil man dann einen Menschen mit all seinen Stärken und Schwächen kennt. Anfangs ist es nur der Körper, und ich habe einen schönen Körper. Bin ich begehrenswert für Sie? Kommen Sie, sagen Sie, daß Sie mich begehren.«
»Gehört das zu den Regeln?«
»Natürlich, alles, was ich sage, gehört zu den Regeln.«
»Ja, Sie sind begehrenswert.«
»Und was? Meine Titten, mein Arsch? Oder mögen Sie diese Ausdrücke auch nicht?«
Johanna, liebe, gute Johanna, wenn sie das alles gehört hätte! Titten, Arsch … Sie hätte ihm die Augen ausgekratzt.
»Ich dachte immer, Männer gebrauchen nur solche Ausdrücke. Titten, Arsch, ficken. Ist es nicht so?«
»Nicht jeder Mann.«
»Oho, vor mir sitzt ein Heiliger!«
»Ich bin kein Heiliger. Ich bin aber auch kein ordinäres Schwein. Ich mag solche Ausdrücke einfach nicht.«
»Oh, Sie halten mich also für ein ordinäres Schwein! Und warum mögen Sie diese Ausdrücke nicht? Ich finde, ich habe schöne, große Titten. Hier, schauen Sie sie sich gut an. ImAbendlicht wirken sie besonders schön und groß.« Sie öffnete das Oberteil des Anzugs, hielt ihm ihre Brüste hin. Er lief rot an vor Verlegenheit.
»Und mein Arsch, finden Sie meinen Arsch schön? Knackig oder zu dick?«
»Er ist okay.«
»Sie sind sehr gehemmt, mein Lieber. Das brauchen Sie aber nicht, denn Sie werden dafür bezahlt, auf meine Fragen zu antworten. Aber um ehrlich zu sein, ich mag diese Ausdrücke auch nicht. Nur gewöhnliche Leute gebrauchen so was, anständige Leute denken es höchstens nur. Dennoch halte ich Sie für verklemmt, Herr von Marquardt.«
»Mag sein.«
»Mag sein, mag sein!« äffte sie ihn nach. »Wissen Sie, daß diese Welt durch und durch verlogen ist? Alle, auch Sie und ich, denken ordinär, gewöhnlich, versaut, doch wenn andere es sagen, drehen wir uns weg und tun so, als widerte es uns an. Dabei würden wir es selber gerne sagen, ab und zu wenigstens, die Worte herausschreien, daß alle es hören können. Aber wir haben Angst, Angst davor, daß die anderen Heuchler sich wie wir wegdrehen und so tun, als wären sie angewidert. Wissen Sie, das ist das Verlogene an der Welt. Wir stehen alle nicht zu dem, was wir denken. Ach, Mist, ich rede zuviel …«
»Aber gibt es nicht eine Grenze des guten Geschmacks?« versuchte er sich zu rechtfertigen – wofür eigentlich, sie hatte doch recht!
»Klar gibt’s die. Aber hier, in meiner Wohnung, denke und spreche ich, wie ich möchte! Sie werden sich daran gewöhnen müssen. Sprechen Sie mit Ihrer Frau nie so?«
»Nein, nie.«
»Wenn Sie miteinander schlafen, ist dann auch immer schön das Licht aus und die Bettdecke bis übers Kinn gezogen? Und alles geschieht ohne ein Wort? Sagt sie nie ›fick mich‹?«
»Ich möchte nicht darüber sprechen.«
»Aber Sie werden zugeben, ich habe recht. Wie ist Ihre Frau? Ist sie klein oder groß, nein,
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