Die Bankerin
auf.
Henning klappte den Deckel hoch und ließ es, wie schon David am Morgen, auf den Boden fallen. Sein Gesicht war aschfahl.
»Mein Gott, was ist das?«
»Eine Lanzenotter. Ich habe im Lexikon nachgeschaut, sie gehört zu den giftigsten Schlangen der Erde. Jährlich fallen ihr in Südamerika etliche tausend Menschen zum Opfer. Ein kleines Begleitschreiben lag auch dabei. Hier, lies.«
»Woher hast du das?«
»Kam heute morgen mit der Post. Ein ganz normales Paket ohne Absender.« David setzte sich wieder, ohne das Paket mit dem makabren Inhalt aufzuheben. »Du sagst also, Meyer kam aus Paraguay. Soweit ich weiß, liegt das in Südamerika.« Er fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen, trank sein Glas leer, schenkte sich nach. »Meinst du vielleicht, ich schicke mir selbst eine Giftschlange? Vor allem, wo sollte ich sie herhaben? Ich bin nur froh, daß Kopf und Körper voneinander getrennt waren.«
»Meyer«, sagte Henning nachdenklich, einen weiteren Blick auf das tote Reptil werfend. »Meyer wird sie mitgebracht haben. Und als er hier ankam, hat er sie gleich an dich abgeschickt. Aber das beantwortet mir noch längst nicht die Frage nach seinem Mörder.« Er erhob sich, sah David lange an, legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Hör zu, ich persönlich glaube nicht, daß du mit dem Mord etwas zu tun hast. Aber es gibt andere, die in erster Linie dich verdächtigen. Und du weißt, es soll Leute geben, die haben schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Es kann sein, daß wir noch mehr Fragen haben … Und noch eines – solltest du auch nur das geringste damit zu tun haben, dann wird es bitter für dich.«
»Du bist ein Arschloch, Manfred! Ein gottverdammtes Arschloch, wenn du so was auch nur denkst! Ich hätte Meyer niemals umgebracht, ich hätte ihn nur dorthin gebracht, wo er meiner Meinung nach hingehört – ins Gefängnis. Ich glaube, es ist besser, du gehst jetzt, dieser Tag ist irgendwie … beschissen!«
»Nur noch eine Frage – Johanna erzählte gestern was davon,daß du zur Arbeit gefahren bist. Hast du noch einen Job nebenbei?«
David wandte sich ab, ging zur Tür und sagte, während er die Hand auf die Klinke legte: »Nein, nicht richtig. Ich mache Kontrollgänge, dreimal in der Woche abends. Es ist kein richtiger Job, nur ein kleiner Nebenverdienst, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Und für wen?«
»Warum willst du das wissen?«
»Interessiert mich eben.«
»Ist es wichtig für die Aufklärung des Mordes?« fragte David und sah Henning geradeheraus an. Der schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Aber warum machst du so ein Geheimnis daraus?«
»Das ist meine Sache. Wenn’s weiter nichts gibt …«
»Ja, ja, bin schon weg.« An der Tür sagte er: »Tut mir leid, daß wir uns unter solchen Umständen treffen mußten. In deinen Augen bin ich bestimmt nur einer von diesen lausigen Bullen, die ihre Nase in jeden Scheiß stecken, oder?«
David grinste verkniffen. »Ganz so drastisch würde ich es nicht ausdrücken, aber das letzte Jahr war verdammt hart. Ich will nicht auch noch mit einem Mord in Verbindung gebracht werden. Mir reicht schon diese Umgebung und dann auch noch diese Post.«
Samstag, 15.30 Uhr
Kommissar Henning kehrte von seinem Besuch bei David von Marquardt in sein Büro zurück. Der Obduktionsbericht Dr. Edouard Meyer lag auf dem Tisch, ebenso der Bericht der Spurensicherung. Er schlug die Aktenmappe auf, setzte sich, legte die Beine auf den Tisch, zündete sich eine Zigarette an,nahm den Bericht in die Hand. Er las. Name: Edouard Meyer. Größe: 1,73 m. Gewicht: 79 kg. Todesursache: Herz- und Kreislaufversagen durch hohen Blutverlust nach Schnitt in Larynx und Halsarterien. Todeszeitpunkt: zwischen 6.00 Uhr und 6.30 Uhr. Mageninhalt: Pizzareste mit Peperoni, Salami, Paprika, Zwiebeln, sowie Whisky. Promillegehalt des Blutes zum Zeitpunkt des Todes: etwa 1,1 Promille. Auffällig war, daß Meyer unter einem bislang offensichtlich unentdeckten Magenkarzinom litt, da weder Medikamente noch Spuren einer Behandlung nachgewiesen werden konnten. Meyer schien häufig zu Beruhigungspillen gegriffen zu haben, da sich in seinem Blut erhebliche Spuren von Diazepam fanden. Unter den Fingernägeln ältere Seifenreste, aber weder fremde Hautpartikel oder sonstige Partikel, die für einen DNA-Test hätten herangezogen werden können. Plötzlich schoß Henning nach vorn. Meyer hatte kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr gehabt. Spermaspuren fanden sich in den
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