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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Schamhaaren und unter der Vorhaut. Doch keine Spuren von Scheidenflüssigkeit. Auch keine fremden Schamhaare, nur zwei lange, dunkle Kopfhaare ohne Haarscheidenzellen auf dem Schambein. Kein Fremdspeichel.
    Henning griff zu seinem persönlichen Telefonbuch, suchte die Privatnummer von Dr. Bock, dem Leiter des Instituts für Rechtsmedizin, heraus, der auch den Bericht unterzeichnet hatte. Er hob den Hörer ab, wählte die Nummer, Bock meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
    »Hier Henning. Störe ich?«
    »Was gibt’s denn jetzt schon wieder?«
    »Hör zu, der Obduktionsbericht, ich hätte ein paar Fragen dazu. Geht auch telefonisch …«
    »Schieß los …«
    »Es ist also sicher, daß der Typ kurz vor seiner Hinrichtung gebumst hat, richtig?«
    »Kann sein, kann aber auch nicht sein. Die Sache ist doch ganz einfach. Hätte er Geschlechtsverkehr im klassischenSinn gehabt, hätten wir neben seinem Sperma auch Scheidenflüssigkeit gefunden. Oder, wenn er schwul war, typische Spuren aus dem Analbereich, ich brauch dir ja wohl nicht großartig zu erklären, um was für Spuren es sich handeln würde. Oralsex … möglich, aber eher unwahrscheinlich, wir hätten mit fast hundertprozentiger Sicherheit Speichel entweder an seinem Schwanz oder dem Hodensack oder den Schamhaaren nachgewiesen. Aber nichts dergleichen, wie gesagt, nur sein Sperma …«
    »Und was, wenn der Täter oder die Täterin ihn gewaschen hat?«
    »Dann hätte er oder sie gründlichere Arbeit geleistet. Dann hätten wir Sperma höchstens noch in der Harnröhre nachweisen können oder im Urin, den er bei Todeseintritt gelassen hat.«
    »Wie lange vor seinem Tod hat er …«
    »Zwei Minuten, drei Minuten, fünf Minuten … Was weiß ich?! Vielleicht ist er ja
dabei
umgebracht worden. Für meine Begriffe hat der- oder diejenige auf jeden Fall, wer immer es ihm gemacht hat, ihm auch den endgültigen Abgang verschafft.«
    »Und wie?«
    »Jemand, ein Mann oder eine Frau, hat ihm einen runtergeholt und ihm entweder dabei oder kurz nachdem er ejakuliert hat die Kehle durchgeschnitten. Dabei hat er Urin und etwas Darminhalt verloren. Es war ein recht schneller und schmerzloser Tod. Ich schätze, so und nicht anders war’s.«
    »Und was, wenn er sich’s selber besorgt hat?«
    »Ausgeschlossen, dann hätten wir Spermaspuren an seinen Händen gefunden und wahrscheinlich auch auf dem Bauch. Die- oder derjenige, der’s ihm besorgt hat, hat das Zeug entweder mit einem Taschentuch oder mit dem Mund aufgefangen, wobei letzteres nicht sehr wahrscheinlich ist, wie gesagt, wir hätten dann Speichelspuren nachweisen können.Auf keinen Fall aber hat ein direkter Vaginal- oder Analkontakt stattgefunden.«
    »Und die Kopfhaare, stammen sie von einer Frau oder einem Mann?«
    »Kann ich noch nicht genau sagen, aber der Beschaffenheit nach zu urteilen eher von einer Frau. Aber wann diese Haare dorthin gekommen sind – keine Ahnung. Es könnte immerhin sein, daß er sie aus Paraguay mitgebracht hat. Dort gibt es meines Wissens eine Menge schwarzhaariger Frauen. Noch was?«
    »Nein, danke, das war’s erst mal. Schönes Wochenende und besten Dank.«
    Henning legte auf, starrte versonnen an die Decke. Erwachte aus seiner Versonnenheit, als die Tür aufging und Schmidt hereinkam. Wortlos reichte Henning ihm den Bericht, er selbst las den der Spurensicherung. Bedeutungslos.

Samstag, Nach Mitternacht
    Es war eine schwüle, heiße Nacht, in der selbst das dünnste Laken als Zudecke noch zuviel und an erholsamen Schlaf kaum zu denken war. In seinem alten Haus hatte er eine Klimaanlage gehabt, hatte er sich nie Gedanken über Hitze zu machen brauchen, war es möglich, sowohl im Sommer wie im Winter die gleiche Temperatur in den Räumen zu halten. In dieser schwülheißen Nacht träumte er wieder. Der Alptraum, der ihn in immer kürzeren Abständen heimsuchte. Die immer gleichen Bilder, der gleiche Hintergrund, die gleichen tristen Farben, wenn es denn überhaupt Farben waren, eher glichen sie unterschiedlichen Grautönen. Vatersdunkelblaues Gesicht mit den traurigen Augen, das sich abschälende Fleisch, bis nur noch der blanke Schädel übrigblieb, Tante Maria, die sich, ihn so unendlich traurig anblickend, die Pistole in den Leib steckte und abdrückte, und Onkel Gustav, auch er so unendlich fern und doch so nah, so seltsam melancholisch, der mit gramgebeugtem Haupt, seine kleine Tochter an der Hand, die Stadt verließ.
    David erwachte wieder einmal schwer atmend, hatte das Gefühl,

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