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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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hat mich geliebt. Ich war fünf, als sie schwanger wurde, und knapp sechs, als sie ein Mädchen zur Welt brachte. Zwei Jahre später hat sie sich das Leben genommen. Mein Vater hat mir später erzählt, sie hätte sich eine großkalibrige Pistole in den Unterleib gesteckt und zweimal schnell hintereinander abgedrückt. Sie hat sich im wahrsten Sinn des Wortes den Leib weggeballert. Peng, Peng! Sie war eine herzensgute Frau, und sie war schön. Zumindest in meiner Erinnerung. Aber ich glaube, für kleine Jungs sind fast alle Frauen irgendwie schön. Sie hat mich auf ihrem Schoß gewiegt, sie hatmich gestreichelt, sie hat all das getan, was meine eigene Mutter nie tat. Mein Onkel hat wenig später den Hof verkauft und ist mit seiner Tochter fortgezogen. Irgendwohin, ich habe nie wieder von ihnen gehört. Aber in letzter Zeit träume ich seltsamerweise immer wieder von Tante Maria und Onkel Gustav und von meinem Vater. Komisch, die Vergangenheit läßt einen eben doch nicht los … Ich würde zu gerne wissen, ob mein Onkel noch lebt, was aus dem kleinen Mädchen geworden ist. Ob sie so wunderhübsch ist, wie ihre Mutter war. Die Kleine müßte jetzt etwa in Ihrem Alter sein. Na, ich werde es wohl nie erfahren.«
    »Wer weiß«, sagte Nicole, trank ihren Whisky und sah ihn mit unergründlichem Blick an. »Haben Sie denn schon nach ihr gesucht?«
    »Ach was, dazu bräuchte ich Glück. Doch ich gehöre nicht zu den Glücklichen dieser Welt … Seit einem Jahr zumindest nicht mehr. Schon früher, immer wenn David von Marquardt zu seiner Mutter kam, verzog das Glück, diese holde Fee, sich in irgendeinen Winkel, wohl hoffend, ich würde sie nicht finden. Nein«, sagte er kopfschüttelnd, »wo sollte ich schon suchen?«
    »Man muß es wenigstens versuchen.«
    »Nein, nein, das Glück hat sich verzogen, und es gibt auch keine Gerechtigkeit. Wissen Sie, wenn ich je an Gerechtigkeit geglaubt habe, dann als Erhard draufgegangen ist. Und mit ihm ist auch meine verdammte Mutter ein klein bißchen krepiert. Dieses rosenkranzbetende Ungeheuer wird seitdem dann und wann von Depressionen heimgesucht. Kann ich mir auch vorstellen, wie die Alte bibbert vor dem Tag, an dem sie dem lieben Herrgott begegnet und der nur den Kopf schüttelt.
›Nein, nein, liebe Agnes, in meinem Plan war nicht vorgesehen, daß Mütter und ihre Söhne es miteinander treiben. Ab, in die Hölle, zu deinem Sohn! Dort könnt ihr weiter miteinander …!‹
Bloß Sarah, sie tut mir irgendwie leid, sie kann schließlich nichts dafür. Sie ist, glaub’ ich, dieeinzige, die mich wirklich liebt. Ich fahre nicht oft nach Helmbrechts, aber jedesmal, wenn ich komme, freut sie sich wie ein kleines Kind, mich zu sehen. Dann leckt sie mich ab wie ein Hund sein Herrchen … Sie sehen, dieses Scheißleben hat so manche Überraschung parat.«
    »Ihre Jugend …«
    »Meine Jugend war eine Scheißjugend, sagte ich doch schon. Und verdammt noch mal, ich glaub, ich bin besoffen! Ich habe in meinem ganzen verdammten Leben noch nicht so viel gesoffen, und meine Frau wird ganz schön sauer sein, wenn ich heimkomme.« Er kicherte wieder. »Na ja, dann werde ich mir noch einen genehmigen, um den Empfang besser zu verkraften. Vielleicht steht sie ja mit dem Nudelholz hinter der Tür.«
    »Sie müssen noch Auto fahren …«
    »Scheiß drauf!« Er lachte, schenkte sich ein, trank. Um zwölf schwankte er zum Aufzug, verfolgt von ihren kritischen Blicken. Er setzte sich ins Auto und legte für einen Moment den Kopf auf das Lenkrad. Scheißleben! Er atmete schwer.
     
    »Du hast getrunken!« schimpfte Johanna, die Hände in die fleischigen Hüften gestemmt. »Nicht nur das, du bist sogar betrunken! Du meine Güte, was ist bloß in dich gefahren? Seit du diese Arbeit hast, habe ich das Gefühl, daß kein Grundsatz dir mehr etwas bedeutet.«
    »Ach, laß mich zufrieden!« herrschte er sie an und wischte ihre Bemerkung einfach wie eine lästige Mücke weg. »Ich bin nicht betrunken. Aber du hast recht, ich habe etwas getrunken. Und ich werde mir das von dir nicht verbieten lassen!«
    »Du hast dich verändert, David von Marquardt. Und zwar zu deinem Nachteil!«
    »Papperlapapp! Gar nichts hab ich. Schlafen die Kinder alle?« fragte er lallend.
    »Natürlich, was sollen sie sonst machen. Nur Thomas …«
    »Ja, ja, ja, Thomas! Er ist in der Disko, wie ich vermute. Ich könnte jetzt auch noch einen kleinen Diskobummel verkraften. Wann kommt er heim, morgen früh? Na, aus dem wird ebenfalls nichts,

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