Die Bankerin
auch wenn er studiert. Genau das gleiche wie bei mir, obwohl ich ihm die Versagergene nicht einmal vererbt haben kann.« Er schüttete sich fast aus vor Lachen. Dann hob er den Zeigefinger. »Aber er ist ein guter Kerl. Ein sehr guter Kerl. Und allein das zählt.«
»Du redest großen Blödsinn! Wasch dich und geh ins Bett und schlaf deinen Rausch aus«, keifte Johanna. »Und dann hoffe ich, daß du endlich mit dieser elenden Trinkerei aufhörst! Du wirst dich noch zugrunde richten damit.«
»Ach, halt doch endlich deine Klappe, du dämliche Kuh!« schrie er und ließ eine verdutzte und traurige Johanna stehen, ging ins Wohnzimmer und ließ sich mit Schwung in den Sessel fallen. Er schlief sofort ein.
Um halb vier wurde er von Johanna kräftig an der Schulter gerüttelt. Sein Kopf schmerzte, ihm war speiübel, er hatte in unnatürlich verrenkter Haltung im Sessel geschlafen, seine gesamte rechte Seite war taub und gefühllos und fing, sobald er sich bewegte, an zu schmerzen. »Was ist los?« fragte er benommen und faßte sich an die Stirn.
Johanna stand völlig aufgeregt vor ihm. »Es hat geklingelt, schon ein paarmal! Es ist mitten in der Nacht! Wer klingelt denn um diese Zeit bei uns?«
»Woher soll ich das denn wissen? Mach auf, dann weißt du’s.«
»David, würdest du bitte zur Tür gehen und fragen, wer da ist?!«
Er hatte Mühe hochzukommen, einen Moment stand er schwankend da, ihm war schwindlig, er hätte kotzen können. Mit müden, bleiernen Schritten schlurfte er zur Tür und fragte: »Wer ist da?«
»Kriminalpolizei. Bitte öffnen Sie die Tür.«
»Können Sie sich ausweisen?«
»Wenn Sie durch den Spion schauen würden!« Einer der beiden Typen hielt den Ausweis hoch.
»Und was wollen Sie?«
Er machte die Tür einen Spalt auf. Draußen standen zwei Beamte in Zivil. Er gab die Tür frei und ließ die Männer eintreten.
»Hauptkommissar Ludwig, und dies ist mein Kollege Kommissar Schneider. Herr und Frau Marquardt?« fragte der kleingewachsene, dickliche Mann, hinter dem David niemals einen Kommissar vermutet hätte. Er hatte kleine, dunkelbraune, stechende Schweinsäuglein und ebenso kleine, wurstförmige Hände und Finger. Er roch streng nach Schweiß.
»Ja«, erwiderte David zögernd. »Was wollen Sie von uns mitten in der Nacht?« Johanna hatte sich einen Morgenmantel übergezogen und stand mit ängstlichem und mißtrauischem Blick in der Wohnzimmertür.
»Könnten wir uns bitte in aller Ruhe unterhalten? Im Wohnzimmer oder in der Küche?« fragte der kleine Mann leise.
»Im Wohnzimmer«, sagte David, den eine schlimme Ahnung befiel. Er ging voran und deutete auf die Couch, Johanna und er nahmen in den Sesseln Platz. Einen Moment lang herrschte atemlose Stille. Die beiden Männer sahen sich im Zimmer um, David und Johanna beobachteten die Männer.
»Sie haben einen Sohn Thomas?« fragte schließlich der kleine, dicke Mann, nachdem er offensichtlich genügend Eindrücke über ihre äußeren Lebensverhältnisse gesammelt hatte. David nickte nur.
»Es tut uns leid, aber«, der Kommissar machte eine Pause und verfolgte aufmerksam die Reaktion in Johannas Gesicht, die mit weitaufgerissenen Augen den Mann anstarrte, als ahnte sie die folgenden Worte, »Ihr Sohn ist vor etwa zwei Stunden zusammengeschlagen und durch mehrere Messerstichelebensgefährlich verletzt worden. Es tut mir leid, Ihnen diese Nachricht überbringen zu müssen.«
Johanna schluckte, atmete hastig und sagte nichts, lediglich ihre vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen gaben ihre Gefühle preis. David schüttelte nur den Kopf. Johanna fing an zu weinen, schluchzte leise. Sie stand auf und holte ein Päckchen Taschentücher.
»Sollen wir einen Arzt rufen?« fragte der kleine, dicke Mann, mit dem Kopf auf Johanna deutend. Sie schüttelte den Kopf.
»Wie ist es passiert?« fragte David.
»Wir wissen überhaupt nichts. Ein Pärchen hat ihn gefunden, in der Eschenheimer Anlage. Wir haben überhaupt keine Anhaltspunkte auf den oder die Täter. Wissen Sie, wo Ihr Sohn sich gestern abend aufgehalten hat?«
»Er geht freitags immer in die Disko. Dorian Gray, Omen, Sie kennen sicher die Schuppen. Nur freitags ist er ausgegangen, sonst war er immer zu Hause. Ich kann es nicht begreifen. Er ist der netteste Junge, den man sich nur vorstellen kann. Ich liebe ihn wie mein eigen Fleisch und Blut. Ich bin nur sein Stiefvater, müssen Sie wissen.«
»Hat Ihr Sohn irgendwelche Feinde?«
»Thomas? Niemals! Für ihn würde ich
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