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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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es noch nicht, ahnte es nur. Siegte Jekyll, dann war, was er tat, recht. Doch was, wenn Hyde der Überlegene war? Hyde war schlecht, verkommen, bösartig, unberechenbar, grausam. Hyde war der Teufel, die Verlockung. Hyde suchte den Menschen zu zerstören, das Gute auszumerzen.
    Aber er wollte sich dem Kampf nicht stellen. Unentwegt dachte er an die Zukunft, an das Freisein von weltlichen Sorgen, an das Nachholen von dem, was ihm seiner Meinung nach im letzten Jahr vorenthalten worden war. Nein, was er tat, war nicht unmoralisch, unmoralisch handelten andere, die Bank, die Geldhaie, Mörder, Betrüger, Lügner!

Freitag, 20.00 Uhr
    An diesem Freitag war er wieder bei Nicole. Sie aßen und tranken und schwiegen. Sie tat eine ganze Weile, als existierte er nicht, und er tat, als ignorierte er ihr Verhalten. Dann, auf einmal, bat sie ihn, aus seiner Kindheit und Jugend zu erzählen. Wo er geboren war, seit wann er in Frankfurt lebte. Er hatte viel getrunken, mehr als je zuvor, seine Zunge war schwer und doch redselig. Und zum ersten Mal in seinem Leben erzählte er einem anderen Menschen von seiner Kindheit. Einzelheiten, die er selbst Johanna vorenthalten hatte, von seinem Vater, von Tante Maria, von all dem Unglück, das ihm widerfahren war und das er in sich hineingefressen hatte.
    »Ich habe nicht gewußt, daß Sie eine derart harte Kindheit hatten!« sagte Nicole bedauernd, nachdem er geendet hatte. »Sie hatten nicht viel Freude am Leben, wie mir scheint.«
    »Och, ich habe es abgehakt«, log er und winkte ab. »Nicht die Vergangenheit, die Zukunft zählt!« Er machte eine abfällige Handbewegung, die Vergangenheit war tot.
    »Und Ihr Vater, Sie wissen wirklich nicht, was aus ihm geworden ist?«
    »Er ist verschwunden. Ich vermute, er ist nicht mehr in Deutschland. Ich erinnere mich, wie er früher ein paarmal von Südamerika geschwärmt hat. Vielleicht ist er dort untergetaucht. Vielleicht hockt er jetzt irgendwo in einer Holzhütte im dampfenden Regenwald und befreit irgendwelche Indianer von Läusen und Flöhen.« Er kicherte albern. »Egal, auch das ist längst Vergangenheit.«
    »Und Ihre Mutter? Lebt sie noch?«
    »Ja, sie lebt noch.«
    »Sie sprachen vorhin von Helmbrechts? Wo liegt das eigentlich?«
    »Zwischen Fichtelgebirge und Frankenwald. Meine Mutter wohnt dort mit meiner Schwester Sarah in einem großen Haus mit einem großen Garten.«
    »Sie haben eine Schwester? Wie alt ist sie?«
    »Siebenundzwanzig. Und sie ist mongoloid, weil wohl die Natur etwas dagegen hatte, daß … äh, lassen wir das!«
    »Wie tragisch!«
    »Ja, ja, wie tragisch!« stieß er höhnisch hervor und trank noch einen Cognac. »Aber wissen Sie was – diese verdammte Frau ist selber schuld, daß Sarah schwachsinnig ist! Hurt mit meinem eigenen Bruder rum! Haben Sie verstanden – meine Mutter hat sich von meinem Bruder vögeln lassen! Gottverdammtes Miststück! Sie hat mit ihm gevögelt und ihm alles gegeben, was eine Mutter einem Sohn geben kann, und mich, mich hat sie immer nur beschimpft. Und bei einer dieser Vögeleien ist wohl meine Schwester Sarah entstanden.Aber jetzt ist Schluß, jetzt gibt es diesen elenden Bastard nicht mehr! Wissen Sie, was mit meinem Bruder passiert ist? Außer meine Mutter zu vögeln war er auch noch begeisterter Bergsteiger, und meine Mutter hat ihm zu seinem Geburtstag eine Reise in die Dolomiten geschenkt. Und genau zwei Tage nach seinem Geburtstag ist er in den Dolomiten fast zweihundert Meter tief abgestürzt und verreckt. Dieser schöne Kerl mit diesem herrlich durchtrainierten Körper war nichts als ein breiiger Klumpen aus Fleisch und Blut. Sie sagten, sein Gesicht sei kaum noch zu erkennen gewesen. Und auch wenn Sie mich jetzt für böse oder gemein halten, damals habe ich mich diebisch gefreut, daß er verreckt ist. Und eigentlich hat sich daran bis heute nichts geändert.« Er füllte sein Glas erneut auf, obgleich er schon ziemlich betrunken war.
    »Wie schrecklich! Haben Sie je mit Ihrer Mutter darüber gesprochen?«
    »Ach was, ich hätte mich nie getraut! Wissen Sie, wo ich mich am liebsten aufgehalten habe, als ich noch so richtig klein war? Bei meiner Tante, der Schwester meiner Mutter. Sie hatten einen großen Bauernhof, und ich bin, sooft es nur ging, hingegangen.« Er machte eine Pause, und ein paar Tränen stiegen ihm in die Augen – die Sentimentalität eines Betrunkenen. Er lachte auf. »Verdammt, wenn man besoffen ist, wird man leicht rührselig, nicht? Aber ich glaube, sie

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