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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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dem Haus ist an der Straße gearbeitet worden, und vielleicht habt ihr mich deshalb nicht gehört. Ich bin ins Haus gegangen, arglos und naiv wie ich eben war, und da waren diese seltsamen Geräusche, die ich nicht einzuordnen vermochte. Aber ich ging diesenGeräuschen nach, die aus dem Schlafzimmer kamen, die Tür stand einen Spalt offen, und ich blieb einen Moment wie gebannt und mit fürchterlichem Herzklopfen davor stehen, denn ich hatte ja keine Ahnung, was in diesem verdammten Zimmer vor sich ging. Ich dachte zuerst, du hättest Schmerzen, weil du so stöhntest, also drückte ich die Tür ein klein wenig zur Seite, und ich blickte auf das Bett, und da lagst du, die Beine weit auseinander, und deine Haare waren zerzaust und deine Augen geschlossen, und Schweiß stand auf deiner Stirn, und du hast dich von meinem eigenen Bruder, deinem Sohn, durchvögeln lassen!« Er hielt inne und sah aus dem Fenster, die Hände in den Hosentaschen; seine Kiefer mahlten aufeinander. »Weißt du, ich habe bis dahin nie verstanden, warum du mir nicht auch nur einen Hauch an Liebe zukommen ließest. Aber damals habe ich wohl mehr unterbewußt gespürt, daß deine Liebe für Erhard so groß war, daß da unmöglich noch Platz für mich sein konnte. Es sind fast dreißig Jahre vergangen seit damals, doch ich bin sicher, euer perverses, verbrecherisches Verhältnis hat noch lange angedauert. Du hast dich von Erhard vögeln lassen, und Vater hast du abgewiesen. Auch das weiß ich, denn er hat es mir erzählt. Und ich weiß noch mehr, daß nämlich Sarah das Ergebnis dieser unheiligen Beziehung ist. Sie, die kleine, dicke, schwachsinnige Sarah, ist die Tochter meines Bruders. Und noch etwas, und das muß ich dir einfach sagen …« Er hielt kurz inne, fuhr dann mit einem bösen Grinsen fort: »Damals, als Erhard abgestürzt ist, brach in mir ein unglaublicher Jubel los, erlebte ich ein Glücksgefühl, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Ich wußte immer, das, was ihr getan habt, durfte und würde nicht ungesühnt bleiben. Du bist zwar meine Mutter und wirst es immer bleiben, aber in meinem Herzen warst und bleibst du auf ewig eine gottverdammte Hure. Eine bigotte, inzestuöse Hure, die es mit ihrem eigenen Fleisch und Blut trieb! Daß du dich überhaupt noch traust, Gott um irgend etwas zu bitten!«
    Davids Mutter saß mit versteinertem Gesicht da und schaute aus großen Augen auf ihn. Aus ihrem Kopf war alles Blut gewichen, ihre Lippen, ihre Wangen, alles war von unnatürlichem Weiß, ihre Haut schien wie Pergament. Sie bebte, rang um Fassung und sagte: »Aber …«, doch David unterbrach sie mit einer Handbewegung und erwiderte, plötzlich leise, die Stimme sanft und mit ernstem Gesicht, seiner Mutter den Rücken zugekehrt, eine Hand in der Hosentasche: »Es gibt kein Aber, Mutter. Es wird nie ein Aber geben. Du wirst nie genug Argumente haben, dein Tun zu rechtfertigen. Ich habe so lange geschwiegen, und ich habe so lange mit mir gerungen, und so oft schon wollte ich es herausschreien, ich wollte dich sogar schon umbringen, doch mein Wille war nie stark genug, denn ich hatte stets Angst vor dir. Wenn du nur deinen eigenen stechenden Blick sehen könntest, diesen erbärmlich harten Zug um deinen Mund! Wenn du deine eigenen, verletzenden Worte hören könntest, wie sie in meinen Ohren gedröhnt haben! Wenn du nur ahnen könntest, was du angerichtet hast! Aber ich sage dir eines, dies ist mein Leben, und wenn es jetzt auch ein stinkendes, widerwärtiges Leben ist, so ist es immer noch besser, als deines je war! Komm nie und versuch, mir Vorwürfe zu machen, es gibt keinen Menschen, der weniger Recht dazu hätte!« Er machte eine Pause, ging ins Schlafzimmer, öffnete den Wäscheschrank und griff hinter seine Sokken. Holte eine kleine Flasche Chantré hervor und kehrte zurück. Schraubte die noch unangebrochene Flasche auf und nahm einen langen Zug. Dann rülpste er leise, doch provozierend.
    »Schau, ich habe damit angefangen!« sagte er und hielt die Flasche hoch. »Irgendwann kommt der Punkt, da man einfach nicht mehr anders kann. Wenn in meinem verdammten Leben irgendwas schiefgelaufen ist, dann trägst du wesentliche Schuld daran. Cheers!«
    Ein weiterer Schluck, dann stellte er die Flasche auf denTisch. Mutter, von beinahe kataleptischer Starre befallen, sagte nichts.
    »Du hast alle Liebe Erhard gegeben. Er hat immer das beste Stück Fleisch bekommen, die schönsten Kleider, er mußte nie sein Zimmer aufräumen, im Garten

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