Die Bedrohung
korrigiert wird, bevor noch jemand zu Schaden kommt.«
»Das ist sehr nett von Ihnen. Arbeiten Sie für die regionale Regierung?«
»Das könnte man so sagen. Ich bin aber gewissermaßen freiberuflich tätig.«
Kennedy wusste, dass Entführungen für Lösegeld im Irak weit verbreitet waren. Das Ganze hatte sich zu einem richtigen Wirtschaftszweig entwickelt – mit neutralen Unterhändlern, die oft mehr als ein Drittel des Lösegelds für ihre Dienste kassierten. »Ich verstehe«, sagte Kennedy und versuchte sich auf den linken Ellbogen zu stützen.
»Bitte«, bot Mukhtar an und fasste sie um die Schultern, um ihr zu helfen, sich aufzusetzen. Die Decke rutschte ein Stück herunter und entblößte ihren BH und ihre gefesselten Hände. Mukhtar zog ein Messer hervor und schnitt zuerst die Plastikhandschellen an ihren Handgelenken durch, ehe er auch noch die Fesseln an Knien und Fußgelenken löste.
Kennedy zog die Decke hoch, um ihre Blöße zu bedecken. »Danke … Entschuldigen Sie, aber Sie haben mir Ihren Namen noch nicht gesagt.«
»Sie können mich Muhammad nennen.«
»Natürlich«, antwortete Kennedy ein wenig misstrauisch. Er hätte genauso gut Herr Soundso sagen können. »Sie haben gemeint, das Ganze wäre ein Irrtum. Es tut mir leid, aber das kann ich nicht recht glauben.«
»Das kann ich mir vorstellen, aber ich denke, ich kann es Ihnen erklären.« Mukhtar blickte zu dem Wächter hinüber, der in der Ecke saß, und fragte auf Arabisch, ob er einen Moment mit der Gefangenen allein sein könne. Der Mann stand langsam von seinem Sessel auf und ging hinaus.
»Die Polizei hier in Mosul ist extrem korrupt. Man hat ihnen nicht gesagt, dass Sie in dem Konvoi waren.«
Kennedy wusste, dass sie es der Polizei genau deshalb nicht gesagt hatten. »Was haben sie denn gedacht, wer in dem Konvoi ist?«
»Das wollen sie mir nicht verraten. Sie haben mir nur gesagt, dass es jemand wäre, für den sie ein hohes Lösegeld bekommen würden.«
»Haben Sie mit meiner Regierung Kontakt aufgenommen?«
»Noch nicht.«
»Warum nicht?«
Mukhtar blickte nervös über die Schulter zurück und sagte dann in viel leiserem Ton: »Einige von ihnen wollen Sie töten, einige wollen mit Ihrer Regierung verhandeln, und einige wollen Sie an eine andere Regierung verkaufen.«
»Von wem sprechen Sie?«
»Von einer Gruppe aus der Region, aber sehr mächtig. Sie ist mehr wie die Mafia bei Ihnen, nicht wie die Milizen hier bei uns.«
»Sunniten?«, fragte Kennedy.
Mukhtar tat die Frage mit einem Achselzucken ab. »Das kann ich nicht sagen, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich an Ihrer Freilassung arbeite … und ich werde tun, was ich kann, damit Ihnen nichts geschieht.«
»Danke.«
Mukhtar stand auf. »Ich muss jetzt gehen, aber vorher würde ich gerne noch ein Foto von Ihnen machen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Kennedy zögerte.
»Das ist nur zu Ihrem Besten. Damit ich beweisen kann, dass Sie leben.«
Das klang einleuchtend für Kennedy. Sie hob die Decke an ihre Schultern und setzte sich so aufrecht, wie es ihr mit der gebrochenen Rippe möglich war.
Mukhtar knipste ein Foto mit seiner Digitalkamera. »Ich komme bald wieder und sehe nach Ihnen. Kann ich Ihnen irgendetwas mitbringen?«
Es gab einiges, was sie gern gehabt hätte, aber sie beschloss, sich mit wenig zu begnügen. »Ich muss auf die Toilette.«
»Ich werde mich darum kümmern. Sonst noch etwas?«
»Etwas zum Anziehen wäre schön.«
»Natürlich. Ich werde sehen, was ich tun kann.« Als Mukhtar hinausging, sah er Kennedy noch einmal mit einem beruhigenden Lächeln an, dann schloss er die Tür hinter sich. Er signalisierte den Wächtern mit einer Geste, dass sie ihm folgen sollten.
Als sie weit genug weg waren, sagte Mukhtar mit leiser Stimme in Farsi: »Bringt ihr in ungefähr fünf Minuten einen Nachttopf. Aber seht ihr dabei zu, wie sie hineinmacht. Wenn es ihr peinlich ist, reißt ihr den Slip herunter, aber vergewaltigt sie nicht. Zumindest noch nicht. Wenn sie fertig ist, könnt ihr sie ein bisschen schlagen, aber nicht ins Gesicht. Und setzt ihr dann wieder die Kapuze auf. Habt ihr verstanden?«
Beide Männer grinsten und nickten.
»Gut. Ich komme in einer Stunde wieder.«
48
Rapp stand hinter Marcus Dumond und sah zu, wie die Finger des jungen Mannes mit der Geschicklichkeit eines Konzertpianisten über die Computertastatur flogen. Dumond war mit Abstand der beste Hacker der CIA und vielleicht von allen US-Behörden zusammengenommen.
Weitere Kostenlose Bücher