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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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bewacht hatte, sagte kein Wort. Er trat ihr einfach nur in die Rippen. Die Botschaft war auch ohne Worte eindeutig. Bleib liegen. Wenn wir wollen, dass du aufstehst, dann sagen wir es dir. Die Bestandsaufnahme ihrer Umgebung fiel dürftig aus. Sie war sich fast sicher, dass sie sie irgendwo unter der Erde festhielten. Sie lag auf einem Lehmboden, und durch den schmutzigen Sack nahm sie einen modrigen Geruch wahr.
    Der Angriff war furchtbar gewesen. Kennedy sah zuerst, wie die Fahrzeuge vor ihnen regelrecht zerrissen wurden, und dann traf es auch ihren Suburban. Sie war sich nicht sicher, aber sie glaubte, dass sie bei der Explosion das Bewusstsein verloren hatte. Das Nächste, woran sie sich erinnerte, war, dass sich der Wagen mit Rauch füllte. Ihre Bodyguards, zwischen denen sie saß, riefen über ihre Funkgeräte um Hilfe. Sie wusste nicht, ob die Türen aufgebrochen worden waren oder ob ihre Bodyguards beschlossen hatten, dass sie hier drin keine Luft mehr bekamen und ihnen deshalb nichts anderes übrig blieb, als das gepanzerte Fahrzeug zu verlassen. Jemand hatte sie grob gepackt und ihr ins Gesicht geschlagen, kaum dass sie ausgestiegen war. Sie erinnerte sich noch, dass sie wenigstens die Geistesgegenwart besessen hatte, nicht laut aufzuschreien. Und dann zwang sie der Mann, der sie geschlagen hatte, zuzusehen, wie er drei ihrer Bodyguards in den Kopf schoss.
    Als sie ungefähr einen Block gefahren waren, wurde sie auf den Boden gedrückt. Sie stülpten ihr eine Kapuze über den Kopf und schnitten ihr mit Messern die Kleider vom Leib. Dann fesselten sie sie an Händen, Knien und Fußknöcheln. Ein paar Minuten später, so schätzte sie, fuhren sie in eine Garage, wo sie in den Kofferraum eines anderen Wagens gesteckt wurde – obwohl es natürlich theoretisch auch dasselbe Auto gewesen sein konnte. Sie schätzte, dass sie eine gute halbe Stunde durch die Stadt fuhren. An der Fahrweise und dem Lärm erkannte sie, dass sie sich in dichtem Verkehr bewegten. Einmal hörte sie die Männer vorne im Wagen laut diskutieren. Sie sprachen Farsi. Es ging um Straßensperren und darum, dass sie den ursprünglichen Plan fallen lassen mussten. Kurz danach verließen sie den Wagen. Die Männer wickelten sie in eine Decke und trugen sie vom Kofferraum zu ihrem gegenwärtigen Standort.
    Einer der Männer hatte sie auf seiner Schulter getragen, und sie hatte das Gefühl, dass es über eine lange schmale Treppe hinunterging. Jedes Mal, wenn sie einen Treppenabsatz erreichten, drehte sich der Mann, und die Kapuze über ihrem Kopf streifte die Wand. Sie hörte, wie eine alte Tür quietschend aufging, dann wurde sie auf den Boden geworfen wie ein Kartoffelsack. Sie drehte sich auf die Seite und versuchte sich aufzusetzen. Da trat einer der Entführer sie in die Rippen, und sie lag wieder auf dem Rücken.
    Der Schmerz der wahrscheinlich gebrochenen Rippe war für sie fast so etwas wie ein Segen. So hatte sie etwas anderes, über das sie sich Gedanken machen konnte. Es war fast fünfundzwanzig Jahre her, dass sie ihre Ausbildung in der ›Farm‹ bei Williamsburg, Virginia, absolviert hatte, doch sie konnte sich noch gut daran erinnern. Vor allem eine Lektion hatte sich ihr tief eingeprägt. Es ging dabei um die Entführung von Bill Buckley, dem CIA-Stationschef in Beirut, im März 1984. Buckley hatte den Sondereinsatzkräften angehört, bevor er zur CIA wechselte, und war ganz bestimmt kein Waisenknabe. Eine Woche nach seiner Entführung wurde der erste von Dutzenden CIA-Agenten vermisst gemeldet. Die Hisbollah-Leute, die Buckley verhörten, brachen seinen Widerstand und verkauften die Informationen an Syrien, Jordanien, Ägypten und andere Länder in der Region. Sie folterten ihn über ein Jahr lang brutal und hängten ihn schließlich. Die CIA hatte einige der Bänder in die Hände bekommen, die die Hisbollah von den Folterungen gemacht hatte. In der Farm mussten Kennedy und ihre Kollegen sich die Bänder zweimal anhören – einmal bevor sie mit den Übungen zum Thema Verhörmethoden begannen und dann noch einmal zwei Wochen später. Mit der Vorführung von Buckleys furchtbaren Leiden bezweckten die Ausbilder zweierlei. Erstens wollten sie damit zeigen, dass niemand der Folter standhält. Auch nicht der Allerhärteste. Alles, was man tun kann, ist, so lange wie möglich durchzuhalten, um seinen Leuten Zeit zu geben, alle gefährdeten Agenten in Sicherheit zu bringen. Die zweite Lektion, die man daraus lernen sollte, war simpel,

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