Die Bedrohung
Alexander.
»Alles. Handygespräche, Internet, Militär, kritische Zivilisten, die religiöse Führung, Politiker … das ganze Land redet offenbar darüber.«
»Was ist mit den Medien?«
Es war die Außenministerin, die auf die Frage antwortete. »Vor zwanzig Minuten hat Al Jazeera begonnen, vom Schauplatz zu berichten; man sah Feuerwehr und Krankenwagen in die Anlage einfahren.«
Der Präsident überlegte einige Augenblicke und wandte sich dann dem Bildschirm zu. »Brad, was sagen die Vereinigten Stabschefs?«
»Wir hatten zwei AWACS in der Gegend.« Der Verteidigungsminister sprach vom sogenannten Airborne Warning and Control System, dem flugzeuggestützten Radarsystem der Air Force. »Eine E 3 über Bagdad, die andere draußen über dem nördlichen Golf. Zur fraglichen Zeit war jedenfalls nichts im Luftraum, das nicht von uns oder den Briten war.«
»Sind Sie sicher?«, fragte der Präsident.
»Ja«, antwortete England zögernd. »Es gibt allerdings eine nicht sehr naheliegende Möglichkeit.«
»Und die wäre?«
»Wenn die Israelis einen Tarnkappenbomber entwickelt haben, dann hätten sie das unter Umständen durchziehen können, aber die Joint Chiefs halten das für nicht sehr realistisch.«
»Irene?«, fragte Alexander, zur CIA-Direktorin gewandt.
»Wir haben nichts dergleichen gehört. Unsere eigenen B-2-Bomber kosten jeweils über zwei Milliarden Dollar. Ihre Wirtschaft könnte solche Kosten niemals tragen, und selbst wenn – warum hätten sie das Risiko eingehen sollen, am helllichten Tag zu fliegen?«
»Das sehe ich auch so«, stimmte England zu.
»Satellitenfotos?«, fragte der Präsident.
»Das NRO sollte in spätestens einer Stunde einen Bericht für uns haben.« Kennedy nahm ihre Lesebrille ab und legte sie auf ihre Briefingmappe.
»Ich habe einen ersten Bericht von meinen Experten, die Bombenschäden analysieren«, verkündete England. »Sie sehen keine Hinweise auf einen Luftschlag.«
Für mindestens zehn Sekunden war es still im Raum, bis der Präsident schließlich fragte: »Also, was bleiben dann für Möglichkeiten?«
Kennedy griff nach einem Kugelschreiber, tippte damit ein paarmal auf ihre Briefingmappe und sagte dann mit leiser Stimme: »Sabotage oder ein Unglück.«
»Ein Unglück?«
»Die Iraner sind nicht gerade für ihre strengen Bauvorschriften bekannt. Sie hatten immer wieder Probleme mit ihren Bauten, vor allem bei Erdbeben, und erst vor einigen Jahren ist ein ganzer Wohnkomplex eingestürzt. Es stellte sich heraus, dass die Baufirma sich nicht an die Vorschriften gehalten hatte. Fast hundert Menschen kamen dabei ums Leben.«
»Glauben Sie nicht, dass sie bei einem so wichtigen Projekt etwas strengere Maßstäbe anlegen würden?«, wandte der Stabschef des Präsidenten ein.
»Das sollte man annehmen, aber ich habe selbst schon die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass man es bei den Iranern nie so genau weiß.«
Präsident Alexander überlegte einige Augenblicke. Schließlich wandte er sich Rapp zu und fragte: »Was halten Sie davon?«
Rapp überlegte kurz, ob er seine eigentlichen Gedanken für sich behalten sollte, beschloss dann aber, dass es nicht nötig war. »Ohne jetzt alle Fakten zu kennen, würde ich sagen, dass mit fünfundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit die Israelis dahinterstecken. Natürlich besteht auch eine kleine Chance, dass der Vorfall auf schlampige Bauweise zurückzuführen ist, aber im Grunde glaube ich, dass es gar keine Rolle spielt.«
»Warum?«, fragte der Präsident.
»Die stolzen Perser würden ein solches Versagen niemals zugeben. Selbst wenn das Ding ganz von allein in sich zusammengefallen ist, werden sie Israel die Schuld geben. Sie werden so oder so auf Rache sinnen.«
»Das glaube ich auch«, warf Außenministerin Wicka ein. »Das Einzige, was ich noch hinzufügen möchte, ist, dass sie wahrscheinlich auch uns beschuldigen werden.«
»Besteht die Möglichkeit, sich an ihren Außenminister zu wenden?«, fragte der Präsident.
»Das glaube ich nicht. Ich schätze, dass sie mit einer Stimme sprechen werden, und das wird Amatullah übernehmen. Das wäre jedenfalls ein guter Moment, um unsere inoffiziellen Kanäle zu nutzen.«
Alexander machte ein überraschtes Gesicht. »Ich habe nicht gewusst, dass wir solche haben.«
Kennedy räusperte sich. »Nach dem elften September, Sir, haben wir einen direkten Draht zum iranischen Geheimdienstministerium hergestellt. Sie sind keine großen Anhänger der Al-Kaida und der anderen
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