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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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aufgespürt habe, der wenige Minuten zuvor noch nicht da war. Einer nach dem anderen begannen die Geigerzähler zu zwitschern wie Kanarienvögel in einer Kohlengrube. Es war, als hätte sich ein unsichtbarer, aber tödlicher Nebel über den riesigen Trümmerhaufen gelegt. Das war es, was die Wissenschaftler der Atomenergiebehörde am meisten gefürchtet hatten. Der Reaktor war durchgeschmolzen. Hochradioaktive Spaltprodukte wurden irgendwo unter den Trümmern freigesetzt und gelangten in die Umwelt. Die Wissenschaftler hatten einen Notfallplan vorbereitet, um auf schwere Reaktorunfälle entsprechend reagieren zu können, und nach diesem Plan ging man nun vor. Die Rettungsarbeiter wurden herausgeholt und dekontaminiert, während bereits die Steinbrüche in der Umgebung verständigt wurden.
    Zwanzig Minuten später traf der erste Betonmischlaster ein und lud seine Ladung in die eine Milliarde Dollar teure Grube ab. Ein weiterer Lastwagen fuhr wenige Minuten später vor. Nicht einmal eine Stunde später standen insgesamt zwei Dutzend Betonlaster bereit, um ihre Fracht in die Grube zu werfen. Die Hoffnungen und der Stolz des iranischen Volkes wurden in aller Eile unter einem riesigen Haufen von radioaktivem Beton begraben.
    Ein Militärtransportflugzeug brachte Ashani und Mukhtar kurz vor dem Abendessen nach Teheran zurück. Präsident Amatullah hatte eine abendliche Sitzung des Obersten Nationalen Sicherheitsrates einberufen. Ashani fuhr vorher kurz zu Hause vorbei, um zu duschen und einen Anzug anzuziehen. Er verabschiedete sich mit einem Kuss von seiner Frau und seinen Töchtern und fuhr weiter in sein Büro, wo seine Stellvertreter bereits auf ihn warteten, um ihm einen Lagebericht zu geben. Obwohl es nur noch zwanzig Minuten bis zur Sitzung waren, hörte er sich an, was seine Leute ihm zu sagen hatten. Das rasche Briefing bestärkte Ashani in seiner Vermutung, dass die gesamte Regierung von der Annahme ausging, dass die Amerikaner oder die Juden die Anlage mit einem gezielten Luftschlag außer Gefecht gesetzt hatten.
    Ashani fragte, ob die Luftabwehr kurz vor oder nach dem Angriff irgendwelche Radarkontakte auf dem Schirm hatte. Zwei seiner Leute gaben einander widersprechende Berichte. Ein dritter Stellvertreter warf ein, dass er mit einem Piloten der Iran Air gesprochen habe, der ihm versichert hätte, israelische Jets in der Gegend gesehen zu haben. Inzwischen berichteten auch die Medien über das Ereignis. Ashani wies seinen Stellvertreter an, sich sofort mit diesem Piloten in Verbindung zu setzen und sich zu vergewissern, dass der Mann die Geschichte nicht erfunden hatte, um sich wichtigzumachen. Es kam in solchen Krisenfällen immer wieder vor, dass sich Leute zu Wort meldeten, um sich ins Rampenlicht zu drängen. Ashani betonte, dass man den Piloten darauf hinweisen müsse, dass er im Gefängnis landen und gnadenlos gefoltert würde, wenn sich herausstellen sollte, dass er gelogen hatte.
    Um Viertel nach acht Uhr abends brach Ashani zum Büro des Obersten Führers auf. Als er dort ankam, hatte er entsetzliche Kopfschmerzen. Er wusste, dass die bevorstehende Sitzung der Grund dafür war. Das alte Spiel der Schuldzuweisungen war bestimmt schon in vollem Gang. Und Präsident Amatullah würde sich wieder einmal besonders hervortun, wenn es galt, Sündenböcke für die Katastrophe zu finden. Ashani hielt sich normalerweise bei solchen Sitzungen zurück, besonders wenn der Oberste Führer zugegen war, doch heute Abend war das anders. Nachdem er vor ein paar Stunden beinahe ums Leben gekommen wäre, war er nicht mehr so sehr auf Vorsicht und Zurückhaltung bedacht.
    Unter einem neuerlichen Hustenanfall fragte sich Ashani, ob ihn die Katastrophe ein Vierteljahrhundert seiner Lebenszeit kosten würde. Ob für ihn in den nächsten ein, zwei Jahren jeder Atemzug mühsam sein würde. Und wofür? Das war die große Frage. Er hatte von diesem Projekt nie etwas gehalten – im Gegenteil, er war derjenige gewesen, der sich gegen das Streben nach der Bombe ausgesprochen hatte, und zwar aus genau diesem Grund. Er wusste schon länger, dass Amatullah und seine Spießgesellen fatal für die Zukunft des Iran waren, aber an diesem Abend war diese Gewissheit so stark, dass Ashani einfach nicht mehr still zusehen konnte. Er würde es nicht länger zulassen, dass Amatullah weiter die Tatsachen verdrehte.

13 AIR FORCE ONE
    Das Büro des Präsidenten in Air Force One befand sich direkt neben dem Konferenzraum, nur wenige Schritte

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