Die Bedrohung
Bürokratie, die ungefähr so beweglich war wie ein Flugkörper-U-Boot im Potomac River.
Es war wieder einmal das eingetreten, was Rapp befürchtet hatte; fähige Leute und enorme Mittel waren in die Verwaltung gesteckt worden, anstatt in konkrete Operationen, wo sie am dringendsten benötigt wurden. Und nachdem eine der Lehren aus der Katastrophe vom elften September die war, dass die verantwortlichen Leute nicht genug miteinander geredet hatten, kam von der politischen Elite die Weisung, dass alle nett zueinander sein und ihre Informationen untereinander austauschen sollten. Dies erklärte auch die extreme Zunahme von Videokonferenzen. Sie waren zu etwas ganz Alltäglichem geworden, auch wenn sich Rapp nicht daran gewöhnen konnte.
Dem Präsidenten gegenüber hing ein Vierzig-Zoll-Plasmabildschirm an der Wand des Konferenzraumes. Er war in zwei Hälften unterteilt – links war Verteidigungsminister Brad England zu sehen, rechts Außenministerin Sunny Wicka. Präsident Alexander war etwas mehr als ein Jahr im Amt, und zum Glück für das junge Staatsoberhaupt war seine Regierung bislang mit keinen schwereren internationalen Konflikten konfrontiert worden. Aber das sollte sich nun ändern. Rapp hatte von Kennedy viel Gutes über das neue Nationale Sicherheitsteam des Präsidenten gehört, was immerhin beruhigend war, nachdem in dieser iranischen Atomanlage offenbar etwas Gravierendes passiert sein musste. So wie bei den meisten Videokonferenzen, an denen er teilnahm, hatte Rapp vor, so wenig wie möglich zu sagen. Er misstraute grundsätzlich den Beteuerungen der Kommunikationsexperten, dass die Leitungen hundertprozentig sicher seien. Sobald man anfing, Kommunikation mit Hilfe von Satelliten hin und her zu schicken, ging Rapp davon aus, dass jemand die Signale auffangen und entschlüsseln konnte.
»Brad«, begann der Präsident, »es tut mir leid, dass Sie von den Bergen herunterkommen mussten.«
»Ist schon in Ordnung, Mr. President, das gehört nun mal zum Job.« England hatte ein verlängertes Wochenende in seinem Berghäuschen in Beaver Creek, Colorado, verbracht. Er war Anfang fünfzig und strahlte trotz seiner grauen Haare etwas Jungenhaftes aus. Als ehemaliges Ass bei Merrill Lynch passte England gut in den Plan des Präsidenten, Leute aus der Privatwirtschaft in sein Kabinett zu holen.
»Hallo, Sunny«, begrüßte der Präsident die Außenministerin. »Haben Sie schon etwas Neues vom israelischen Botschafter erfahren?«
»Nein. Jedenfalls nichts Brauchbares.«
Wicka saß an ihrem Schreibtisch in Foggy Bottom. Rapp wusste, dass seine Chefin und Wicka ein positives Arbeitsverhältnis hatten. Er nahm es als gutes Zeichen, dass sie bei dieser Videokonferenz nicht fünf Assistenten um sich hatte.
»Hat sich die Außenministerin schon bei Ihnen gemeldet?«, erkundigte sich der Präsident.
»Ja, vor ein paar Minuten habe ich mich mit ihr unterhalten.«
»Und?«
»Offiziell hat die israelische Regierung keine Ahnung, was in der Anlage in Isfahan passiert ist.«
»Und inoffiziell?«, fragte der Präsident weiter.
Wicka drehte einen schwarzen Mont-Blanc-Kugelschreiber in der rechten Hand hin und her. Sie war einundsiebzig Jahre alt, sah aber gut zehn Jahre jünger aus. »Man hört Gerüchte, dass eine bestimmte Organisation damit zu tun haben könnte.«
Der Präsident wandte sich Irene Kennedy zu, die zu seiner Linken saß.
»Generaldirektor Freidman«, sagte die CIA-Direktorin, »hat mich bisher nicht zurückgerufen.«
»Ist das ungewöhnlich für ihn?«, fragte Präsident Alexander.
»Nicht unbedingt«, antwortete Kennedy in ruhigem Ton.
Rapp behielt das, was er sich gerade dachte, für sich. Er kannte Ben Freidman schon lange und hatte bei einer ganzen Reihe von Operationen eng mit dem Mossad zusammengearbeitet. Freidman würde so gut wie alles tun, um sein geliebtes Israel zu schützen. Er achtete stets darauf, dass vor allem Israel von den Beziehungen zwischen ihren beiden Staaten profitierte. Rapp respektierte die Fähigkeiten und die Zähigkeit des Mannes, doch er vergaß nie, dass Freidman ihm jederzeit in den Rücken fallen würde, wenn er seinem Land einen kleinen Vorteil verschaffen konnte.
»Was hört man aus dem Iran?«, fragte Alexander in die Runde.
Wicka war die Erste, die sich zu Wort meldete. »Nichts Offizielles.«
»Die National Security Agency meldet einen deutlichen Anstieg in der Kommunikation«, berichtete Sicherheitsberater Ozark.
»Welcher Art?«, fragte
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