Die Befreier von Canea
Bernard vernünftig.
»Oh«, meinte Amara. »Ja, also, mir gefällt es.«
Aria sah zwischen den beiden hin und her und fragte Isana: »Hast du eine Ahnung, wovon die sprechen?«
»Sie sagen, dass sie bei ihrer Heirat gut gewählt haben«, antwortete Isana und lächelte ihren Bruder schwach an. »Vermutlich müsst ihr die Einzelheiten für euch behalten?«
»Ich fürchte, ja«, sagte Bernard. »Und …«
Isana hob die Hand. »Ich kann es mir denken. Die Zeit ist knapp.«
Ehren, der respektvoll an der Seite gestanden hatte, räusperte sich. »Wunderbar ausgedrückt, Fürstin.«
Isana beugte sich vor und küsste ihren Bruder auf die Wange, ehe sie sein Gesicht in die Hände nahm. »Sei vorsichtig.«
Bernard strich ihr mit dem Daumen sanft über das Kinn. »Auf mich wartet zu Hause noch zu viel Arbeit, als dass ich zulassen dürfte, dass mir jetzt etwas zustößt.«
»Gut«, sagte sie und umarmte ihn. Er drückte sie an sich, und sie lösten sich voneinander, ohne sich noch einmal anzuschauen. Sie hatte gespürt, wie ihm langsam die Tränen in die Augen stiegen, während er sie hielt, und sie wusste, die sollte sie nicht sehen. Er würde zwar wissen, dass sie es bemerkt hatte, aber nachdem sie ein halbes Leben lang zusammen gewohnt hatten, konnte man über manche Dinge einfach hinwegsehen. Sie lächelte Amara an, als sie an ihr vorbeiging, und drückte ihr kurz beide Hände. Isana glaubte nicht, dass sie Amara jemals besonders nah stehen würde, doch die frühere Kursorin hatte ihrem Bruder großes Glück beschert. Das konnte man ihr nicht absprechen.
Araris und Bernard wechselten leise ein paar Worte, dann führte Ehren sie in Gaius’ Arbeitszimmer, und zwar jenes, mit dem er alle Besucher damit beeindrucken wollte, wie maßvoll, gelehrt und erfahren er war.
Oh, sicherlich gehörte Gaius Sextus zu den gelehrtesten und erfahrensten Cives des Reiches, aber das tat nichts zur Sache. Isana hatte auch nie Männer verstanden, die Trophäen ihrer Jagd an die Wände hängten. Gaius’ Arbeitszimmer, dessen Wände mit den Leichen der Bücher vollgestopft waren, die er verschlungen hatte, erinnerte sie stark an die Jagdhütte des alten Aldo im Tal von Calderon, und sie hielt es nur für unbedeutend weniger prahlerisch.
Nachdenklich betrachtete Isana die Bücher, während Araris und Fürstin Placida hinter ihr eintraten, begleitet von Ritter Ehren. Sie hatte nur einen winzigen Bruchteil der Bücher gelesen, denn selbst im Winter gab es auf dem Wehrhof genug Arbeit und wenig freie Zeit. Außerdem waren Bücher ein kostspieliges Vergnügen. Trotzdem hatte sie genug gelesen, um zu wissen, dass sie nur so wertvoll waren wie der Verstand ihrer Verfasser, und viele Schreiber, so schien ihr, hätten, wären sie Kaufleute gewesen, nur einen sehr kleinen Bestand an Waren gehabt.
Immerhin sagte es etwas über den Ersten Fürsten aus: Wissen erschien es ihm wert, um damit anzugeben. Nicht alle Männer dachten so über dieses Thema.
»Isana«, sagte Gaius, erhob sich von seinem Platz und lächelte.
»Sextus«, antwortete sie und nickte ihm zu. So. Förmlichkeiten waren wohl nicht vonnöten.
»Hoheit«, fuhr Gaius fort. Er legte die Hand vor die Brust und verneigte sich leicht in Richtung von Fürstin Placida.
»Majestät«, erwiderte Aria und brachte einen eleganten Knicks zustande.
»Meine Damen, bitte.« Er deutete auf zwei Stühle vor seinem Schreibtisch, und Isana und Aria ließen sich nieder. Aus einer Flasche auf einem halbhohen Schrank schenkte er sich einen halben Becher voll, mit Gewürzwein, wenn man der Nase trauen durfte.
»Wie schlimm ist die Lage denn nun eigentlich, Gaius?«, fragte Aria frei heraus.
Er hob eine Augenbraue und trank einen Schluck Wein. »Sehr schlimm«, sagte er leise. »Die Vord haben in der Schlacht bereits mehrere Legionen besiegt. Niemand hat überlebt.«
»Aber … jetzt, wo die anderen Legionen in die Schlacht ziehen …«, sagte Isana.
Gaius zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Seit tausend Jahren haben die Legionen ihren Ruf gefestigt, Isana, und ihre Stärke erwuchs in vielen Jahrhunderten Tradition, aber auch ihre Schwächen nahmen zu, weil ihre Haltung immer mehr erstarrte. Wir betrachten die Legionen als unbesiegbare Bollwerke. Aber während der Rebellion von Kalare im vergangenen Jahr wurden sie von den Canim besiegt, was einen hohen Blutzoll gefordert hat, und vor einer Generation konnten die Marat eine ganze Legion auslöschen.«
Über das Gesicht des Ersten Fürsten
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