Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
und dem Zahlenschloss für sein Fahrrad in der Grundschule … sowie Jim Herons Dossier.
»Matthias, rede mit mir. Was ist los.« Keine Frage. Ein Befehl, und er wollte ihm ja gern nachkommen. Er und der Mitbewohner hatten eine Art Arbeitsverhältnis zueinander entwickelt, nach ihrem Kampf gegen diese Schattenwesen und dann dem ganzen Leichen-/Autoproblem, also fühlte er sich genötigt, sich zu erklären.
Leider konnte er nicht sprechen.
Irgendetwas griff ihm an den Hintern – nein, Moment, das war der Boden oder eine Sitzfläche. Er wurde hingesetzt. Blinzelnd versuchte er, durch das Videospiel hindurchzusehen, das vor ihm ablief, aber es gelang ihm nicht.
»Matthias, Kumpel, du musst mir sagen, was los ist.«
Mit zitternder Hand rieb er sich die Augen. Das half. Als er sie wieder aufschlug, konnte er Adrians Piercings ganz dicht vor sich sehen.
»Hey, bist du wieder da?«, fragte der Besitzer der Ringe.
Nach einer Weile murmelte Matthias: »Warum hast du das getan?«
»Ich hab überhaupt nichts mit dir …«
Er wedelte mit der Hand. »Das mit den Piercings. Ich meine, mal ehrlich. Findest du wirklich, du musst noch härter aussehen?«
Kurze Pause, dann lachte der große Kerl. »Sie war heiß. Je mehr ich habe stechen lassen, desto mehr Zeit durfte ich mit ihr verbringen.«
»Die Piercerin?«
»Ja.«
»Dann war das ein Frauending?«
Adrian zuckte die Achseln. »Der Schmerz hat den Sex noch besser gemacht.«
»Ach.«
Matthias sah zur Seite. Seltsam. Vor der SLI – oder auch Scheiß-Landminen-Idee – war Sex wie Essen oder Atmen gewesen, man tat es einfach. Jetzt schien der Verlust dieses Teils von ihm epische Ausmaße anzunehmen.
Wobei das, ehrlich gesagt, vor allem mit Mels zu tun hatte. Hätte er sie nicht kennengelernt, wäre es ihm egal gewesen. Beziehungsweise war es ihm die vergangenen zwei Jahre egal gewesen.
»Also, was war das gerade für ein Aussetzer?«, fragte der Mitbewohner.
»Nur Erinnerungen, die zurückkommen.« Nicht unbedingt besonders lustig, aber wenn er so weitermachte, fiele ihm vielleicht ja wieder ein, warum er das dringende Bedürfnis verspürte, nach Manhattan zu fahren.
»Aber es geht dir gut.«
Dass er nicht nach Details ausgequetscht wurde – die er sowieso nicht verraten hätte –, war ein netter Zug. »Ja. Und jetzt wieder zu dem Toten.«
Er wollte aufstehen, aber seine Beine trugen ihn nicht. Als wären sie aus Papier.
»Ich hol dir deinen Stock und die Sonnenbrille«, sagte Adrian und stapfte aus der Garage.
Matthias hatte keine Lust, neben dem Hinterrad des Autos zu liegen wie ein Brocken Matsch, das vom Schmutzfänger abgefallen war. Also hielt er sich an der Stoßstange fest und zog sich ächzend in die Vertikale hoch.
Dann tastete er sich am Wagen entlang, beugte sich durch das Fahrerfenster und drückte auf den Knopf, um den Kofferraum zu öffnen.
Dort stand er und starrte ins leere Innere, als Adrian zurückkam. Er nahm ihm den Stock ab, setzte sich die Ray-Ban auf und schüttelte den Kopf. »An oder in dem Auto werden wir nichts finden. Wir sind in solchen Dingen sehr gründlich.« Er humpelte zu der Leiche. »Ich schlage vor, wir versenken das Ganze bei Einbruch der Dunkelheit im Hudson.«
Mist, er war zum Abendessen verabredet.
»Oder sagen wir Mitternacht«, fügte er hinzu, als er den Kofferraum wieder zuklappte. Dann: »Oder noch besser um zwei Uhr.«
»Hast du zufällig etwas vor?«
Als der Mitbewohner ihn kritisch musterte, machte Matthias dicht: Er würde nicht über Mels sprechen. Das Blöde war allerdings, dass er die Entsorgung der Leiche niemand anderem überlassen konnte, hauptsächlich, weil er die Karre mit eigenen Augen in ihr feuchtes Grab versinken sehen musste. Bis sein Gedächtnis komplett wiederhergestellt und er auf seinem Weg war – was auch immer das hieß –, konnte er keine zusätzlichen Komplikationen riskieren.
Eine Leiche würde die Polizei aufscheuchen, und die X-Ops holten sich ihre Leute immer zurück.
Adrian strich sich über das kantige Kinn. »Was hältst du davon, es jetzt gleich zu machen.«
»Wie denn?«
»Vertrau mir.«
»Für wen hältst du dich, Houdini?«
»Nöö. Ich besitze keine Zwangsjacke, die groß genug für diesen Penner wäre. Aber ich weiß, wohin mit ihm.«
Adrian stand völlig locker da, sein Blick ruhig, die Atmung gleichmäßig, er strahlte absolute Zuversicht aus.
Auf Worte gab Matthias einen Scheiß, aber auf Gemütsverfassungen konnte man sich verlassen, denn die waren
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