Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
soll an dich denken«, erzählte Jim. Er hielt die Zigarette so, dass der Rauch von dem Tier wegwehte – nur für den Fall, dass er sich doch irrte mit seiner Annahme, dass Hund eigentlich etwas ganz anderes war. »Sissy. Ich habe ihr gesagt, sie soll sich vorstellen, wie du an meinen Socken kaust. Sie soll sich ausmalen, dass du im grünen Gras spielst, wenn es zu …«
Er konnte den Gedanken nicht laut zu Ende führen.
Zu Lebzeiten hatte er schlimme Dinge getan, furchtbare Dinge, gegenüber schlimmen, furchtbaren Menschen, was be deutete, dass er schon lange gegen seine Gefühle abgehärtet war …
Eigentlich war das sogar schon passiert, als er noch ein Teenager gewesen war. An jenem Tag, als sich alles für immer verändert hatte.
An dem Tag, als seine Mutter ermordet worden war.
Egal. Schnee von gestern.
Tatsache war, dass die Vorstellung von Sissy im Seelenbrunnen der Dämonin ausreichte, um selbst einen abgestumpften Soldaten wie ihn den Verstand verlieren zu lassen.
»Ich hab ihr gesagt … sie soll an dich denken, wenn sie glaubt, sie kann nicht mehr.«
Hunds Stummelschwanz wedelte hin und her, als hätte Jim genau das Richtige getan.
Ja, hoffentlich dachte sie an Hund, um dort unten durchzuhalten.
Etwas anderes gab es ja auch verflucht noch mal nicht.
»Ich muss die nächste Seele finden«, brummelte Jim, ehe er wieder einen Zug von seiner Zigarette nahm. »Ich muss herauskriegen, wer als Nächstes auf dem Spielfeld erscheint. Wir müssen gewinnen, Hund.«
Die kalte, feuchte Nase stupste ihn zärtlich.
Dass Nigel steif und fest behauptete, Jim würde die nächste Seele kennen, half ihm keinen Deut weiter. Er hatte während seines Lebens massenweise Leute gekannt.
Er konnte nur beten, dass es jemand war, den er umstimmen konnte.
Fünf
Matthias merkte sofort, dass er nicht mehr allein war: Das Licht um ihn herum wurde intensiver, was bedeutete, dass eine Tür geöffnet worden war, und so etwas geschah nicht ohne Grund.
Reflexartig krümmte sich seine Hand, als hätte darin eine Waffe liegen müssen. Zu mehr war er nicht imstande. Sein Körper war vor Schmerz völlig unbeweglich, genauso gut hätte er mit Ketten auf die Unterlage gefesselt sein können, auf der er lag – einem Bett. Er lag in einem Bett … und die piepsende Hintergrundmusik verriet ihm auch, in was für einem. Er war immer noch im Krankenhaus.
Würde er denn nie über…
An dieser Stelle kam sein Denkprozess ins Stocken.
In seinem Kopf existierte nichts als ein schwarzes Loch.
Keine Ahnung, wie er hergekommen war. Keinen blassen Schimmer, warum ihm alles wehtat. Nein … Herr im Himmel, er wusste, dass er mit Vornamen Matthias hieß, und das war auch schon alles.
In Panik riss er die Augen ganz auf.
Neben seinem Bett stand eine Frau, die Hände vor das Gesicht geschlagen, die Miene zu Tode erschrocken. Um eins ihrer Augen hatte sie einen Bluterguss, auf der Stirn klebte ein Pflaster. Ihre dunklen Haare waren nach hinten frisiert. Hübsche Augen sahen ihn an. Groß … sie war groß.
Wunderschöne Augen, um genau zu sein.
»Es tut mir so leid«, sagte sie heiser.
Wie meinen? »Weswegen …« Seine Stimme war rau, seine Kehle wund. Und ein Auge funktionierte nicht richtig …
Nein, das Ding funktionierte überhaupt nicht. Er hatte seine halbe Sehkraft schon vor geraumer Zeit verloren. Genau, damals, als er … Er runzelte die Stirn, weil seine Gedanken schon wieder von derselben Klippe stürzten.
»Ich habe Sie mit dem Auto angefahren. Es tut mir wahnsinnig leid – ich hab Sie einfach nicht gesehen. Es war so dunkel, Sie standen plötzlich auf der Straße, und ich konnte nicht mehr bremsen.«
Er wollte die Hand ausstrecken, der Drang, sie zu beruhigen, setzte sich über den Schmerz und die Verwirrung hinweg. »Nicht Ihre Schuld. Nicht … nicht weinen. Bitte …«
Irgendwo in seinem Inneren konnte er einfach nicht glauben, dass jemand seinetwegen weinen sollte, jetzt nicht und auch sonst nie. Er war nicht der Typ Mann, der solche Emotionen hervorrief.
Nein, er nicht. Warum das allerdings so war, wusste er auch nicht …
Die Frau trat etwas näher, und er beobachtete mit dem einen gesunden Auge, wie sie ihre weiche, warme Hand ausstreckte und auf die seine legte.
Bei der Berührung wurde ihm am ganzen Körper warm, so als wäre er in ein Bad gestiegen.
Komisch, ihm war vorher gar nicht bewusst gewesen, dass ihm kalt war.
»Ich drücke gegen«, sagte er mit seiner gebrochenen Stimme, »falls Sie es nicht
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