Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
wenn die Regenbogenblasen auftauchten, ruckelte sie an der Maus, um auf Sendung zu bleiben.
Ihr einziger Anruf, seit sie hier saß, hatte Tonys Bekanntem bei der Spurensicherung gegolten. Sie hatte ihm mitgeteilt, dass sie de la Cruz Bescheid gegeben und eine Aussage gemacht hatte.
Eigentlich hatte sie gehofft, das Telefon würde bald klingeln und sie würde auf den neuesten Stand der Ermittlungen gebracht, aber de la Cruz und sein Team waren offenbar noch damit beschäftigt, ein leeres Hotelzimmer zu durchsuchen.
Matthias war mit Sicherheit längst weg.
»Psst.«
Sie schreckte auf und hob den Kopf. Tony beugte sich mit einem Schoko-Donut in der Hand über den Gang, den er ihr darbot wie einen Diamanten. »Du siehst aus, als könntest du ihn brauchen.«
»Danke.« Sie zwang sich zu einem Lächeln und dachte, was soll’s. Vielleicht würden ein Haufen Zucker plus Konservierungs stoffe sie aus ihrer Benommenheit wecken. »Ich steh heute ein bisschen neben mir.«
»Das merkt man. Seit einer Stunde starrst du nur den Bildschirm an.«
»Viele E-Mails zu lesen.«
»Warum liest du sie dann nicht?«
Mels biss in die Kalorienbombe. Die Glasur krümelte auf ihren Schoß, und ehe sie schmolz und sich auf Molekularebene mit dem Stoff ihrer Hose verband, zupfte sie sie ab und warf sie in den Mülleimer.
Köstlich.
»Sag mal, Tony, ich weiß, dass wir eigentlich nie so richtig über die Arbeit sprechen, aber ist die Zeitung für dich die Endstation? Ich meine, kannst du dir vorstellen, den Rest deines Berufslebens hier zu verbringen?«
Ihr Kumpel zuckte mit den Schultern. »Darüber denke ich nicht viel nach. Ich schreibe einfach meine Artikel, erledige meine Recherche – alles groovy. Wenn das meine Zukunft ist, habe ich nichts dagegen.« Er nahm sich auch einen Donut. »Aber ich warte die ganze Zeit darauf, dass du abhaust.«
»Aus Caldwell? Ehrlich?«
»Ja.« Er nahm einen Bissen. »Du hast dich nie richtig eingewöhnt. Kontakte geknüpft und gepflegt.«
Er hatte natürlich recht. Und vielleicht hatte sie deshalb auch nicht so viel erreicht, wie sie wollte. Ja, Dick war ein Blödmann und ein alter Widerling, aber es war durchaus möglich, dass sie das nur als Ausrede benutzt hatte, um sich ihre Infos lieber am Telefon zu besorgen.
»Ich glaube, ich möchte zurück nach New York.« Das »ich glaube« konnte man auch streichen, wurde ihr schlagartig bewusst. »Es wird Zeit.«
Ihrer Mutter ging es gut; Mels war diejenige, die einen Richtungswechsel brauchte. Und sie hatte so ein Gefühl, dass der nach Süden führte.
»Du bist eine verdammt gute Reporterin.« Tony biss wieder ab. »Und hier bist du unterfordert – Dick weiß das, glaube ich.«
»Er und ich haben uns nie verstanden.«
»Das gilt bei ihm generell für Frauen.« Tony schob sich den letzten Bissen in den Mund. »Also, was hast du vor? Hast du Kontakte in Manhattan?«
Mels zog ihre Schublade auf und holte eine Visitenkarte heraus, die sie an ihrem ersten Tag an diesem Schreibtisch dort hineingelegt hatte. Peter W. Newcastle, Feuilleton stand darauf, und darunter der bekannte Schriftzug der New York Times .
Früher war sie Peter in und um Manhattan immer mal wieder begegnet, und er arbeitete immer noch für die Times . Erst letzten Sonntag hatte sie seinen Namen über einem Artikel gelesen.
»Ja, ich glaube schon«, murmelte sie. »Ach, apropos weggehen, ich hab da was für dich.«
»Mittagessen, hoffe ich?«
Sie lachte kurz auf. »Leider, leider nein.«
Dann gab sie sich einen Ruck und öffnete die Datei mit ihrer gesamten Recherche zu den Vermisstenfällen. Sie sah die Worte vor sich, die sie getippt, die Tabellen, die sie erstellt, die Querverweise, die sie aufgelistet hatte, und dachte unwillkürlich, dass sie das alles getan hatte, bevor ein Sturm durch ihr Leben gefegt war.
Erinnerungen an Matthias stiegen auf, und der Schmerz raubte ihr den Atem.
Aber sie schloss nur kurz die Augen und riss sich zusammen.
»Es kommt per E-Mail«, sagte sie knapp.
Tony schnappte sich einen Schokoriegel und drehte sich mit Schwung zu seinem Bildschirm um.
Kurz darauf hörte sie ihn halblaut brummeln, dann drehte er sich erneut zu ihr um. »Das ist ja … unglaublich. Absolut unglaublich, ich habe noch nie … Wie lange hast du gebraucht, um das zusammenzutragen? Und was ist dein Ansatz? Wer sind deine – Moment mal, du gibst mir das doch nicht exklusiv, oder?«
Mels lächelte traurig und nickte. »Sieh es als Abschiedsgeschenk. Du warst von
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