Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
Angelpunkt seines Fluchtplans: Diesen Informationsspeicher hatte er, zusammen mit der automatischen Update-Funktion, angelegt, sobald das Computersystem der X-Ops in Betrieb genommen worden war, und er war genauso wichtig wie die Waffen und das Bargeld, das er in New York versteckt hatte. Und in London. Und Tanger. Und Dubai. Und Melbourne.
In seiner Branche blieb der Herrscher nur so lange auf dem Thron, wie er seine Macht festhalten konnte – und man konnte nie wissen, wann die eigene Basis abbröckelte.
Die Rückkehr seiner Erinnerungen hatte ihm genau vor Augen geführt, wie er seinen Einfluss geschützt, gehegt, gemehrt hatte, wie er sein Leben und die Kontrolle behalten hatte. Bis die Abscheulichkeit seiner Taten ihn allmählich wie ein Gestank umhüllte; bis seine Seele – oder das bisschen, das er besessen hatte – verwelkte und abstarb; bis er so gefühllos wurde, dass er praktisch ein lebloser Gegenstand war; bis er begriff, dass der Tod der einzige Ausweg war, und dass es besser war, Zeit und Ort selbst zu bestimmen.
Zum Beispiel in einer Wüste, vor den Augen eines Zeugen und mit einer Bombe, die er zu diesem Zweck selbst gebastelt hatte.
Aber er hatte wohl doch nicht alles unter Kontrolle gehabt, denn Jim Heron hatte ihn nicht liegen und krepieren lassen, und deshalb war er nicht gestorben wie geplant.
Ohne Herons Eingreifen hätte er allerdings Mels niemals getroffen.
Und er würde diese Informationen nicht für das benutzen, was er jetzt vorhatte.
Das hier erschien ihm als der bessere Ausweg.
Abgesehen davon, dass er Mels natürlich verloren hatte.
Genau bevor er sich abmeldete, überfiel ihn eine unbezwingbare Neugier. Also loggte er sich rasch aus seinem Schattenkonto und seinem kleinen virtuellen Geheimfach aus und in einen echten Account ein, den er vor etwa sechs Monaten für einen seiner Administratoren eingerichtet hatte.
Er war noch in Betrieb. Und das Passwort war nicht geändert worden – was wirklich dämlich war.
Er rief die Personaldatenbank auf und tippte einen Namen ein.
In der Mitte des grauen Bildschirms drehte sich langsam und scheinbar endlos eine winzige Sanduhr. In Wirklichkeit dauerte das Laden wahrscheinlich keine ein, zwei Sekunden. Dann flimmerte Jim Herons Steckbrief auf, und Matthias überflog schnell die säuberlichen Vermerke.
Er machte sich keine Sorgen darüber, dass seine Aktivitäten hier verfolgt würden – das würden sie auf jeden Fall. Sehr bald schon würden Agenten bei genau diesem Computer auftauchen.
Und selbstverständlich würden sie wissen, dass er es gewesen war, der in das System eingedrungen war, und sie wären nicht überrascht.
Das nächste Profil, das er sich ansah, war sein eigenes, und bevor er sich wieder ausloggte, kehrte er noch einmal zu Herons zurück. Was genau daran nicht stimmte, konnte er nicht sofort sagen, aber irgendetwas störte ihn, irgendetwas war nicht in Ordnung. Aber er hatte keine Zeit, dem nachzugehen, zumindest nicht hier und jetzt.
Matthias zog den USB -Stick aus dem Port und ballte die Faust darum. Dann schaltete er den Rechner aus, machte vorsichtig die Tür einen Spalt auf, sah nach rechts und nach links und trat in den Flur. Er wandte sich nach …
»Kann ich Ihnen helfen?«, ertönte eine strenge weibliche Stimme.
Sofort blieb er stehen und drehte sich um. »Ich suche nach der Personalabteilung, bin ich hier richtig?«
Die Frau war klein und stämmig, ihre Statur ähnelte einer Spülmaschine oder vielleicht einem Aktenschrank. Dazu trug sie auch noch ein stahlgraues Kostüm, und ihre Haare waren genau auf Kinnhöhe abgeschnitten, als hätte sie das Gefühl, sie müsste ununterbrochen beweisen, dass sie allzeit tüchtig und im Dienst war.
»Ich bin die Leiterin der Personalabteilung.« Sie kniff die Augen zusammen. »Wen genau wollen Sie sprechen?«
»Ich habe mich für eine Stelle als Kellner im Restaurant beworben, und der Empfang hat mich hierhergeschickt.«
»Ach, Herrgott noch mal.« Die Frau sah aus, als würde sie gleich explodieren. »Schon wieder? Ich habe denen doch gesagt, sie sollen euch nicht immer herschicken.«
»Ja, ich weiß. Müsste ich mich nicht eigentlich mit dem Restaurantmanager unterhalten oder so?«
»Gehen Sie hier durch den Flur in die Lobby und am Restaurant vorbei. Kurz vor dem Notausgang gibt es eine Tür, auf der ›Büro‹ steht – Ihr Ansprechpartner ist Bobby.«
Matthias lächelte. »Vielen Dank.«
Sie machte kehrt und stapfte in die entgegengesetzte Richtung
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