Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
Polizei war am frühen Nachmittag aufgetaucht, und jetzt war es kurz vor neun Uhr abends, und die Jungs in Blau turnten immer noch hier herum.
Nachdem sie die Tür aufgebrochen hatten, waren sie nur einmal kurz durch die Wohnung marschiert. Der echte Spaß hatte angefangen, als sie den Vermieter angerufen hatten – der, als man ihn darüber informierte, dass sein Mieter vor gut einer Woche gestorben war, sofort gekommen war und ihnen die Erlaubnis erteilt hatte, alles richtig zu durchwühlen.
Komisch, der alte Junge hatte wieder eine altmodische Butleruniform getragen und immer noch so ausgehen, als gehöre er eigentlich in ein Pflegeheim, statt unermüdlich Treppen auf und ab zu marschieren und allen »Erfrischungen« anzubieten. Aber er war sehr liebenswürdig gewesen und hatte alle möglichen Türen aufgeschlossen – bis auf eine.
Selbst er war nicht in der Lage gewesen, das Kabuff zu öffnen, in dem sich Eddie befand. Der Zauber, der diesen Raum schützte, wirkte eben wie die Wände eines Banktresors.
Bei ihrem ersten Durchgang hatten die Beamten nicht viel gefunden. Keine Waffen, weil Jim sie alle eingesammelt hatte. Keinen Laptop, weil der unter seiner Achsel klemmte. Ein paar Patronenhülsen von seiner Schießübung draußen – aber so eine hatten sie ja vorher schon gehabt. Zigarettenkippen im Aschenbecher und ein bisschen Essen im Kühlschrank – Riesensache.
Dann war die zweite Runde eingeläutet worden, in der die Korinthenkacker mit ihren Fingerabdruckpinseln und ihrem Klebeband anrückten und die Fotografin überall herumknipste, drinnen und draußen. Schließlich war das gelbe Absperrband einmal rundherum gewickelt und an zwei Bäume rechts und links der Kieseinfahrt genagelt worden. Gequatsche. Gefolgt von noch ein paar Fotos von draußen.
Als sie endlich Leine zogen, war die Zeit wenigstens nicht komplett vergeudet gewesen. Denn zwischendurch hatte sich Jim mit dem Computer und dem Handy davongestohlen und sich um eine neue Wohnung in Caldwell gekümmert.
Es hatte auch seine Vorteile, ein paar seiner selbst geschaffenen Tarnidentitäten behalten zu haben, denn hier im Garagenappartement konnten er und seine drei Jungs auf gar keinen Fall bleiben.
Als der letzte Streifenwagen abgezogen und auch der Spurensicherungstransporter losgefahren war, setzte Jim Hund auf den Boden. »Ich dachte schon, die hauen nie ab.«
Das Tier schnaubte zustimmend und streckte sich erst einmal ausgiebig, obwohl es nicht sonderlich zu leiden gehabt hatte: Hund hatte fest geschlafen, tiefenentspannt über Jims Arm hängend wie ein Handtuch. Jetzt allerdings wollte er nach draußen.
Jim ging zuerst pinkeln. Und schickte Adrian eine SMS , dass alles klar war.
Dann öffnete er die Wohnungstür, wodurch er das hübsche Polizeisiegel zerriss. »Hoppala.«
Er trug Hund nach unten und ließ den haarigen kleinen Kerl sein Geschäft in seinem Lieblingsgestrüpp verrichten.
Gerade als das Tier zurückgetrippelt kam und mit ihm die Treppe hinaufstieg, schoss ein Auto auf der Straße hinter der Wiese heran, bog im Affenzahn auf den Feldweg und schlingerte auf das Garagentor zu.
Am Steuer saß Matthias.
Jim konnte seinen Abdruck ganz klar spüren. Und Ad war bei ihm, wie vereinbart; er hatte ihn die ganze Zeit begleitet und seinen Boss währenddessen konstant per SMS mit Updates versorgt. Demnach hatte Matthias sich zunächst mit Mels in einem Buchladen getroffen und sich später bei einer Autovermietung einen blankpolierten neuen Ford besorgt, mit dem er schließlich zum Haus der Reporterin gefahren war, als hätte er ein letztes Mal nach dem Rechten sehen wollen.
Jedenfalls sah es ganz so aus, als hätte Matthias seinen Plan wirklich durchgezogen und Mels den Schlüssel zur Büchse der Pandora ausgehändigt.
Also was war jetzt wieder los? Wenn das der Scheideweg gewesen war – und das leuchtete absolut ein –, dann sollte der Mann jeden Moment in den Himmel aufgenommen werden, womit der Sieg amtlich wäre. Stattdessen raste er wie ein Irrer hierher zu ihm?
Oder musste erst die Reporterin auf den Zug aufspringen, bevor es zählte?
Nein, das war ja ihr Wille, nicht seiner – und Matthias stand im Fokus. Was er tat, seine Handlungen und Entscheidungen waren das Thema, das hatte Jim in der ersten Runde mit ihm gelernt: Als Matthias den Abzug gedrückt hatte mit dem Vorsatz, Isaac Rothe zu töten, hatte das ausgereicht, um ihn zu verdammen. Dass der Junge gar nicht gestorben war, war nicht entscheidend gewesen.
Es
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