Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
Krankenschwester, die ihm in der Klinik zur Hand gegangen war, um es mal so zu formulieren. Jetzt sah sie frisch und munter aus, die Haare hingen ihr offen auf die Schultern, das helle Kleid reichte bis knapp unterhalb des Knies.
Sie hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einer Braut.
»Was machen Sie denn hier?« Sie kam auf ihn zu. »Ich dachte, Sie wären zu Hause, um sich auszukurieren.«
Alle Leute drehten sich nach ihr um, die Männer mit wollüstigen, abschätzenden Blicken, die Frauen mit unterschiedlichem Grad an Neid und Abneigung. Sie war aber auch einfach absurd schön.
»Mir geht’s gut.« Er bemühte sich, sie nicht anzustarren. Es war, als würde man in die Sonne schauen: schmerzvoll für die Augen. »Und Ihnen?«
»Meine Mutter ist zu Besuch. Beziehungsweise hätte sie mittlerweile hier sein sollen. Ihr Flug sollte eigentlich vor einer halben Stunde landen, aber er hat sich in Cincinnati wegen eines Gewitters verzögert. Jetzt weiß ich nicht, ob ich warten oder nach Hause fahren soll, eigentlich wollten wir zusammen frühstücken. Wollten Sie das auch gerade tun?«
»Äh, ja.«
»Na, wie wär’s dann, wenn wir zusammen gingen? Ich bin halb verhungert.«
Ihre schwarzen Augen funkelten geradezu, sodass er sich an den Nachthimmel erinnert fühlte. Aber das reichte nicht aus, um ihn zu verlocken, mit ihr …
»Okay«, hörte er sich selbst antworten, als hätte jemand seinen Mund übernommen.
Sie schlenderten gemeinsam zum Eingang des Restaurants.
»Zwei Personen«, sagte Matthias zu dem Kellner, der den Kopf zurückriss und dann wie ein Reh im Scheinwerferlicht erstarrte, offenbar überfordert von so viel Liebreiz.
»Ich hätte gerne einen Platz am Fenster.« Sie lächelte den Mann lasziv an. »Vielleicht …«
Nicht das Fenster, aus dem er gesprungen war, dachte Matthias.
»… das da drüben.«
Das war ja verdammt noch mal klar gewesen.
»Äh, ja, natürlich, sofort.« Diensteifrig schnappte sich der Kellner zwei in Leder gebundene Speisekarten und eilte voraus. »Aber möchten Sie nicht lieber einen Ausblick auf den Garten?«
»Wir wollen nicht in der prallen Sonne sitzen.« Sie legte eine Hand auf Matthias’ Arm und drückte sanft, als wollte sie ihn wissen lassen, dass sie Rücksicht auf sein schlechtes Auge nahm.
Mann, er wurde wirklich nicht gern von ihr angefasst.
Auf ihrem Weg quer durch den Raum erzeugte die Krankenschwester ziemliches Aufsehen, Männer spähten verstohlen über den Rand ihrer Zeitungen und Kaffeetassen oder sogar über den Kopf ihrer Ehefrauen hinweg. Sie allerdings ließ sich davon überhaupt nicht beirren, als wäre das alles völlig normal.
Sie setzten sich genau vor das Fenster, durch das er und Jim geflüchtet waren, ließen sich Kaffee einschenken und studierten die Speisekarten. Der alberne Smalltalk, der mit der Auswahl zwischen fünfzig verschiedenen Frühstücksgerichten verbunden war, ging ihm auf den Senkel. Und obendrein wollte er nicht mit ihr essen, wobei man fairerweise sagen musste, dass er mit überhaupt niemandem essen wollte.
Es lag an dem Problem mit Mels. Ja, er hatte sie wegen dieser Recherche angerufen, aber in Wahrheit hatte er einfach nur ihre Stimme hören wollen.
Er hatte sie die ganze Nacht vermisst …
»Woran denken Sie gerade?«, fragte die Krankenschwester leise.
Matthias blickte durch die Scheibe auf das Gebäude gegenüber. »Mir ist gerade aufgefallen, dass ich Ihren Namen gar nicht kenne.«
»Ach, verzeihen Sie. Ich dachte, er hätte auf der Tafel in Ihrem Zimmer gestanden.«
»Wahrscheinlich hat er das auch, aber selbst wenn er in Neonschrift geleuchtet hätte, weiß ich nicht, ob ich ihn bemerkt hätte.«
Das war natürlich gelogen. An der Tafel hatte kein Name irgendeiner Schwester gestanden, nur der eines Arztes, und an ihrem Kittel war ebenfalls kein Namensschild gewesen.
Was ein bisschen seltsam war, wenn man mal drüber nachdachte …
Anmutig legte sie eine schlanke Hand auf ihr Brustbein – was wie eine Einladung wirkte, ihren Ausschnitt zu inspizieren. »Sie können mich Dee nennen.«
Er sah ihr in die Augen. »Wie in Deidre?«
»Wie in Devina.« Sie wandte den Blick ab, als wollte sie nicht weiter darauf eingehen. »Meine Mutter war schon immer eine gottesfürchtige Frau.«
»Was auch Ihr Kleid erklärt.«
Dee schüttelte kleinlaut den Kopf und strich sich den Rock glatt. »Woher wussten Sie, dass ich normalerweise nicht so herumlaufe?«
»Nun ja, zum einen sieht das Kleid aus, als würde es einer
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