Die Begnadigung
wollen, nickte er ein.
»Major Herzog, Major Herzog.« Colonel Gantner schüttelte ihn und flüsterte ihm eindringlich ins Ohr:
»Wir müssen reden.« Backman stand auf und folgte dem Colonel durch den dunklen, engen Gang zwischen den Pritschen in einen kleinen Raum in der Nähe des Cockpits. »Nehmen Sie Platz«, sagte Gantner, der auf einen kleinen Stahltisch mit Stühlen zeigte.
Er hielt eine Akte in den Händen. »Also, jetzt geht es wie folgt weiter: In etwa einer Stunde werden wir landen. Der Plan sieht vor, dass Sie krank sind, und zwar so krank, dass ein Krankenwagen des Militärstützpunktes Sie auf der Landebahn in Empfang nehmen wird. Die italienischen Behörden werden wie üblich einen flüchtigen Blick auf den Papierkram werfen. Vielleicht auch auf Sie, doch das ist unwahrscheinlich. Auf einem Militärstützpunkt der Vereinigten Staaten kommen und gehen ständig Soldaten. Ich habe einen Pass für Sie. Lassen Sie mich mit den Italienern reden. Anschließend werden Sie ins Lazarett gebracht.«
»Italiener?«
»Ja. Noch nie etwas von der Aviano Air Base gehört?«
»Nein.«
»Habe ich mir schon gedacht. Wir sind hier, seit wir 1945 die Deutschen verjagt haben. Der Stützpunkt liegt im Nordosten Italiens, in der Nähe der Alpen.«
»Hört sich gut an.«
»Stimmt, aber es ist ein Militärstützpunkt.«
»Wie lange werde ich dort bleiben?«
»Das habe nicht ich zu entscheiden. Meine Aufgabe ist es, Sie vom Flugzeug zum Militärkrankenhaus zu bringen. Danach werden Sie von jemand anders übernommen. Werfen Sie für alle Fälle einen Blick in die Biografie, die wir uns für Major Herzog ausgedacht haben.«
Joel verbrachte ein paar Minuten mit dem fiktiven Lebenslauf und prägte sich die Angaben in dem gefälschten Pass ein.
»Vergessen Sie nicht, dass Sie sehr krank sind und unter Beruhigungsmitteln stehen«, sagte Gantner. »Tun Sie einfach so, als wären Sie bewusstlos.«
»In gewisser Hinsicht war ich sechs Jahre lang bewusstlos.«
»Möchten Sie einen Kaffee?«
»Wie spät ist es jetzt in Italien?«
Gantner blickte auf die Uhr und rechnete schnell. »Wir sollten ungefähr um ein Uhr nachts landen.«
»Ein Kaffee wäre großartig.«
Gantner reichte ihm einen Pappbecher und eine Thermoskanne und verschwand.
Nach zwei Bechern spürte Joel, dass die Propellertriebwerke gedrosselt wurden. Er kehrte zu seiner Pritsche zurück, legte sich hin und schloss die Augen.
Nachdem die C-130 auf der Landebahn zum Stehen gekommen war, näherte sich ein Krankenwagen der U.S. Air Force rückwärts der hinteren Luke. Die Soldaten gingen davon, die meisten noch schlaftrunken. Major Herzog wurde auf einer Bahre aus dem Flugzeug ausgeladen und vorsichtig in den Krankenwagen verfrachtet. Ein Beamter der italienischen Behörden saß in einem geheizten Jeep der U.S. Army und schaute desinteressiert zu. Der Krankenwagen fuhr ohne große Eile los, und fünf Minuten später fand sich Major Herzog in einem engen Krankenzimmer des kleinen Lazaretts wieder, das von zwei Militärpolizisten bewacht wurde.
4
O bwohl er es nicht wissen konnte (und auch keinen Grund hatte, sich dafür zu interessieren), war es ein Glück für Backman, dass der Präsident in letzter Minute auch noch einen alternden Milliardär begnadigt hatte, der dem Gefängnis durch Flucht ins Ausland entkommen war. »Duke« Mongo war ein Einwanderer aus irgendeinem osteuropäischen Land und hatte sich vor Jahrzehnten, nach seiner Ankunft in Amerika, diesen Titel verliehen. Er hatte Unmengen Geld für Morgans Wahlkampf gespendet. Als aufflog, dass er während seiner gesamten Laufbahn Steuern hinterzogen hatte, kam außerdem heraus, dass er etliche Nächte im Lincoln Bedroom des Weißen Hauses verbracht, mit dem Präsidenten in freundschaftlicher Atmosphäre einen Schlummertrunk genossen und mit ihm über drohende Anklagen diskutiert hatte. Laut Aussage der dritten anwesenden Person, einer jungen Prostituierten, die seinerzeit die fünfte Ehefrau des Duke war, hatte der Präsident versprochen, seinen Einfluss bei der Steuerbehörde geltend zu machen und die Spürhunde zurückzupfeifen. Doch es kam anders. Die Anklageschrift war achtunddreißig Seiten lang, aber noch nicht fertig gedruckt, als der Milliardär schon mit seiner zukünftigen sechsten Frau in einer Villa in Uruguay residierte und den Steuerfahndern in Nordamerika eine lange Nase zeigte.
Jetzt wollte er nach Hause zurückkehren, um wie ein echter Patriot in Würde zu sterben und sich
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