Die Begnadigung
legen. Es kam zu erbitterten Auseinandersetzungen. Safi und Fazal wurden gierig und wollten »JAM« an den Meistbietenden verkaufen. Faruk glaubte, dies würde ihnen nur Scherereien einbringen. Er wollte nichts mehr mit der Geschichte zu tun haben und das Programm der pakistanischen Armee überlassen.
Im September 1998 reisten Safi und Fazal nach Washington, wo sie einen frustrierenden Monat lang erfolglos versuchten, durch pakistanische Kontaktpersonen zu wichtigen Leuten im militärischen Geheimdienst der Vereinigten Staaten vorzudringen. Dann erzählte ihnen ein Freund von einem gewissen Joel Backman, dem sich in Washington alle Türen öffneten.
Das Problem bestand darin, über Backmans Türschwelle zu gelangen. Er war ein wichtiger Mann mit jeder Menge wichtiger Mandanten, die alle seine Zeit in Anspruch nehmen wollten. Backmans Einheitshonorar für ein einstündiges Gespräch mit einem neuen Mandanten betrug fünftausend Dollar – doch man musste erst einmal zu jenen Glücklichen zählen, die der große Mann überhaupt eintreten ließ. Safi lieh sich von einem Onkel in Chicago zweitausend Dollar und versprach Mr Backman, den Rest innerhalb von neunzig Tagen zu bezahlen. Später sollten vor Gericht präsentierte Dokumente enthüllen, dass ihr erstes Gespräch am 24. Oktober 1998 in den Büros von Backman, Pratt & Bolling stattgefunden hatte. Dieses Treffen sollte das Leben aller Beteiligten zerstören.
Zunächst schien Backman das unglaubliche Potenzial von »JAM« skeptisch einzuschätzen. Vielleicht hatte er es aber auch sofort richtig eingeschätzt und beschlossen, seine neuen Mandanten zu täuschen. Safi und Fazal träumten davon, »JAM« für ein Vermögen an das Pentagon zu verhökern. Und wenn jemand in Washington den Höchstpreis für sie herausschlagen konnte, dann Joel Backman.
Der Lobbyist nahm rasch Kontakt zu Jacy Hubbard auf, der für eine Million Dollar im Jahr als sein Sprachrohr fungierte, noch immer einmal pro Woche mit dem Präsidenten Golf spielte und mit den hohen Tieren aus dem Kongress durch die Bars zog. Er war ein lebhafter, extravaganter und streitlustiger Mann, der bereits drei Scheidungen hinter sich hatte und ziemlich scharf auf teuren Whiskey war – speziell dann, wenn er von anderen bezahlt wurde. Politisch überlebt hatte er nur, weil alle Welt wusste, dass er die schmutzigsten Wahlkämpfe in der Geschichte der Vereinigten Staaten geführt hatte, und das wollte etwas heißen. Er machte aus seinem Antisemitismus keinen Hehl und hatte im Laufe der Jahre enge Beziehungen zu den Saudis aufgebaut. Sehr enge. Einer von vielen Untersuchungsausschüssen fand heraus, dass ein Prinz ihn mit einer Wahlkampfspende von einer Million Dollar bedacht hatte – zufällig derselbe Prinz, mit dem Hubbard in Österreich seinen Skiurlaub verbrachte.
Anfangs stritten sich Hubbard und Backman darüber, wie »JAM« am besten zu vermarkten wäre. Hubbard wollte die Software an die Saudis verscherbeln, die seiner Meinung nach eine Milliarde Dollar dafür bezahlen würden. Backman nahm den eher patriotischen Standpunkt ein, dass ein so gefährliches Produkt im Land bleiben solle. Doch Hubbard versicherte, den Saudis die Zusage abringen zu können, dass sie »JAM« nie gegen die Vereinigten Staaten einsetzen würden, den vorgeblichen Verbündeten. Backman fürchtete sich vor den Israelis – vor ihren mächtigen Freunden in den USA, vor ihrer Armee und besonders vor ihren Geheimdiensten.
Zu dieser Zeit vertraten Backman, Pratt & Bolling viele ausländische Unternehmen und Regierungen. Die Kanzlei war die Adresse für alle, die in Washington ihren Einfluss schnell geltend machen wollten. Wenn man nur bereit war, die horrenden Honorare zu bezahlen, hatte man an den entscheidenden Stellen Zugang. Auf der endlosen Mandantenliste standen die japanische Stahlindustrie, die Regierung Südkoreas, die Saudis, dubiose Banken aus der Karibik, die Regierung von Panama und eine landwirtschaftliche Kooperative aus Bolivien, die nichts als Kokain produzierte – und so weiter und so fort.
Es gab auch etliche ehrbare Mandanten, aber viele hatten keine weiße Weste.
Allmählich sickerte in den Büros von Backman, Pratt & Bolling etwas über »JAM« durch. Damit konnte sich das größte Honorar erzielen lassen, das die Kanzlei bisher vereinnahmt hatte, und sie hatte schon mehrfach erstaunliche Summen eingestrichen. Im Laufe der nächsten Wochen machten auch andere Partner Vorschläge hinsichtlich der Vermarktung
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