Die Begnadigung
einem der exklusiven Golfklubs eine Achtzehn-Loch-Partie spielen und zusammen einen trinken wie in den guten alten Zeiten.
Was für gute alte Zeiten?, fragte sich Daly, nachdem er aufgelegt hatte.
Eine Stunde später bekam Teddy Maynard das Telefongespräch vorgespielt.
Nachdem die ersten beiden Anrufe einigermaßen erfolgversprechend verlaufen waren, machte Critz weiter. Das Telefon war immer sein bevorzugtes Arbeitsmittel gewesen. Er hing der Schrotflintentheorie an – schieß einfach in die Luft, irgendwas wirst du schon treffen. Allmählich nahm in seinem Hirn ein vages Konzept Gestalt an. Ein weiterer alter Kumpel war viele Jahre beim Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Senat tätig gewesen, und obwohl er inzwischen ein Lobbyist mit guten Beziehungen war, unterhielt er angeblich enge Kontakte zur CIA.
Sie redeten über Politik und Golf, und irgendwann fragte der alte Freund zu Critz’ Entzücken, was sich Präsident Morgan eigentlich dabei gedacht habe, ausgerechnet Duke Mongo zu begnadigen, den größten Steuerbetrüger in der Geschichte der USA. Critz behauptete, gegen die Entscheidung gewesen zu sein, und packte die Gelegenheit beim Schopf. »Was für Gerüchte gehen eigentlich über Backman um?«
»Du warst doch dabei«, entgegnete der alte Freund.
»Ja, aber wohin hat Maynard ihn abgeschoben? Das ist die große Frage.«
»Dann war es also die CIA?«
»Natürlich«, erwiderte Critz im Brustton der Überzeugung. Wer sonst hätte den Mann bei Nacht und Nebel außer Landes schaffen können?
»Interessant«, meinte der Freund, der daraufhin sehr einsilbig wurde. Critz bestand auf einem gemeinsamen Mittagessen in der folgenden Woche, dann beendeten sie das Gespräch.
Während er mit glühendem Eifer einen Telefonanruf nach dem anderen tätigte, beglückwünschte er sich wieder einmal zu seiner langen Liste von Kontakten. Nähe zur Macht zahlte sich immer aus.
Um halb sechs verabschiedete sich Joel – nein, Marco – nach drei Stunden intensivem Unterricht von Ermanno. Sie waren beide erschöpft.
Die kalte Luft half ihm, auf dem Weg durch die engen Gassen von Treviso einen klaren Kopf zu bekommen. Zum zweiten Mal in zwei Tagen hielt er an einem kleinen Café und bestellte sich ein Bier. Er setzte sich ans Fenster und beobachtete die Einheimischen, die draußen vorbeihasteten. Manche waren auf dem Heimweg von der Arbeit, andere kauften noch schnell fürs Abendessen ein. Das Café war warm und verraucht, und wieder einmal schweiften Marcos Gedanken zurück zu seiner Gefängniszeit. Der Wechsel war zu drastisch gewesen, die Freiheit allzu unerwartet gekommen. Noch immer schwelte in ihm die Furcht, plötzlich aufzuwachen und sich in einer Zelle wiederzufinden, im Hintergrund das hysterische Gelächter irgendeines unsichtbaren Verrückten.
Nach dem Bier trank er einen Espresso, dann trat er in die Dunkelheit hinaus, beide Hände tief in den Taschen vergrabend. Als er um die Ecke bog und auf sein Hotel zuging, sah er Luigi, der nervös rauchend auf dem Gehsteig auf und ab ging. Während Marco die Straße überquerte, kam er ihm entgegengeeilt. »Wir reisen ab«, sagte er.
»Warum?«, fragte Marco und sah sich nach finsteren Gestalten um.
»Das erkläre ich Ihnen später. Auf Ihrem Bett liegt eine Reisetasche. Packen Sie, so schnell es geht. Ich werde hier unten warten.«
»Und was, wenn ich nicht fahren will?«
Luigi packte ihn am linken Handgelenk, überlegte eine Sekunde und setzte dann ein knappes Lächeln auf.
»Dann werden Sie die nächsten vierundzwanzig Stunden nicht überleben«, sagte er mit unheilvollem Unterton.
»Bitte vertrauen Sie mir.«
Marco hastete die Treppe hoch und durch den Flur. Er hatte sein Zimmer fast erreicht, als ihm klar wurde, dass der stechende Schmerz in seiner Magengrube nicht vom Rennen kam, sondern von der Angst.
Was war passiert? Was hatte Luigi gehört oder gesehen, was hatte man ihm erzählt? Wer war dieser Luigi überhaupt, und von wem bekam er seine Befehle? All diese Fragen und noch viele mehr schossen Marco durch den Kopf, während er seine Sachen aus dem Schrank zog und aufs Bett warf. Nachdem er alles eingepackt hatte, setzte er sich einen Moment und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er atmete tief ein und dann langsam wieder aus. Das alles, redete er sich ein, war doch nur ein großes Versteckspiel.
Würde er für immer auf der Flucht sein? Immer wieder hektisch packen müssen, um ein Hotelzimmer gegen ein anderes einzutauschen? Sicher,
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