Die Begnadigung
oberen Etage des Food Court. Nachdem sie sich ein Stück Pizza und etwas zu trinken gekauft hatten, suchten sie sich einen Tisch in einer Nische, wo sie von niemandem gesehen werden konnten. Wie immer galten folgende Regeln: (1) Alles, was gesagt wurde, war vertraulich, und Lowell durfte nicht als Quelle genannt werden. (2) Sandberg konnte die Geschichte erst bringen, wenn Lowell grünes Licht gegeben hatte. (3) Wenn eine andere Quelle dem, was Lowell sagte, widersprach, hatte er das Recht, vor Veröffentlichung des Artikels dazu Stellung zu nehmen.
Da Sandberg Enthüllungsjournalist war, hasste er diese Regeln. Aber Lowell hatte noch nie danebengelegen, und er redete mit niemand anders von der Presse. Wenn Sandberg die Geschichte haben wollte, musste er die Regeln einhalten.
»Das FBI hat Geld gefunden«, begann Sandberg. »Und vermutlich hat es etwas mit einem Straferlass zu tun.«
Lowells Augen verrieten ihn immer, weil er ein grundehrlicher Mann war. Sie verengten sich zu schmalen Schlitzen, und es war klar, dass er noch nichts davon gehört hatte.
»Weiß die CIA von der Sache?«, fragte Sandberg.
»Nein«, erwiderte Lowell, ohne zu zögern. Er hatte noch nie Angst vor der Wahrheit gehabt. »Wir haben ein paar Offshore-Konten beobachtet, aber es ist nichts passiert. Wie viel ist es gewesen?«
»Eine ganze Menge. Und ich weiß nicht, wie sie es gefunden haben.«
»Wo ist es hergekommen?«
»Das wissen sie nicht so genau, aber sie wollen es unbedingt mit Joel Backman in Verbindung bringen. Sie reden mit dem Weißen Haus.«
»Aber nicht mit uns.«
»Offenbar nicht. Das Ganze riecht nach Politik. Das FBI würde Präsident Morgan liebend gern einen Skandal anhängen, und Backman wäre der perfekte Mann dafür.«
»Duke Mongo wäre ebenfalls ein geeigneter Kandidat.«
»Ja, aber er ist schon so gut wie tot. Er hat eine lange, schillernde Karriere als Steuerbetrüger hinter sich, doch das war einmal. Backman dagegen hat viele Geheimnisse. Sie wollen ihn zurückholen und im Justizministerium in die Mangel nehmen, damit Washington für ein paar Monate Gesprächsstoff hat. Für Morgan wäre es eine ungeheure Demütigung.«
»Die Wirtschaft ist im freien Fall nach unten. Was für eine wunderbare Ablenkung.«
»Wie ich schon sagte, es geht dabei nur um Politik.«
Lowell biss in sein Stück Pizza und kaute darauf herum, während er nachdachte. »Backman kann es nicht sein. Da liegen sie völlig daneben.«
»Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher. Backman hatte keine Ahnung, dass er begnadigt werden sollte. Wir haben ihn mitten in der Nacht aus seiner Zelle gezerrt, ein paar Papiere unterschreiben lassen und dann vor Sonnenaufgang aus dem Land geschafft.«
»Wo ist er hin?«
»Woher soll ich das wissen? Und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen. Fakt ist, dass Backman gar keine Zeit hatte, um das Geld für eine Bestechung zu organisieren. Er war so tief im Gefängnis vergraben, dass er nicht einmal von einer Begnadigung geträumt hätte. Es war Maynards Idee, nicht seine. Backman ist der Falsche.«
»Sie suchen nach ihm.«
»Warum? Man hat ihn begnadigt. Er ist ein freier Mann, kein Häftling auf der Flucht. Er kann nicht ausgeliefert werden, es sei denn, sie fabrizieren eine Anklage.«
»Was natürlich durchaus im Bereich des Möglichen liegt.«
Lowell starrte auf den Tisch. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für eine Anklage reicht. Die haben keine Beweise. Wie Sie schon sagten, die haben verdächtiges Geld auf einem Konto, aber sie wissen nicht, wo es hergekommen ist. Und ich versichere Ihnen, dass es nicht von Backman stammt.«
»Werden sie ihn finden?«
»Sie werden Maynard unter Druck setzen, und deshalb wollte ich ja auch mit Ihnen reden.« Er schob das halb aufgegessene Stück Pizza zur Seite und beugte sich vor. »Es wird schon sehr bald eine Besprechung im Oval Office geben. Maynard wird daran teilnehmen, und der Präsident wird ihn auffordern, das Geheimmaterial zu Backman vorzulegen. Maynard wird sich weigern. Und dann wird es zu einer Machtprobe kommen. Wird der Präsident so viel Mumm haben, den alten Mann zu feuern?«
»Und? Wird er?«
»Vermutlich ja. Zumindest geht Maynard davon aus. Das ist jetzt der vierte Präsident, unter dem er dient, was, wie Sie wissen, ein Rekord ist, und bereits die ersten drei wollten ihn alle feuern. Aber jetzt ist er alt und amtsmüde.«
»Er ist schon seit einer Ewigkeit alt und amtsmüde.«
»Das stimmt, aber er hat seine
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