Die Begnadigung
Organisation fest im Griff. Dieses Mal ist es anders.«
»Warum tritt er nicht einfach zurück?«
»Weil er ein störrischer alter Esel ist. Das wissen Sie doch.«
»Und da bin ich nicht der Einzige.«
»Wenn man ihn feuert, wird er mit Sicherheit nicht leise gehen. In diesem Fall hätte er gern eine ausgeglichene Berichterstattung.«
»Ausgeglichene Berichterstattung« bedeutete in etwa so viel wie »schreiben Sie’s so, dass wir gut aussehen«.
Sandberg schob seine Pizza auch zur Seite und ließ die Fingerknöchel knacken. »Ich sehe das Ganze so«, sagte er, was ebenfalls zu ihrem Ritual gehörte. »Nach achtzehn Jahren an der Spitze der CIA wird Teddy Maynard vom neuen Präsidenten gefeuert. Und zwar, weil er sich geweigert hat, Einzelheiten zu laufenden Geheimoperationen preiszugeben. Er hat nicht nachgegeben, weil die nationale Sicherheit auf dem Spiel steht, und sich der Anordnung des Präsidenten widersetzt, der, ebenso wie das FBI, an geheime Informationen kommen will, damit das FBI Ermittlungen zu einigen von Ex-Präsident Morgan gewährten Straferlassen durchführen kann.«
»Sie dürfen Backman auf keinen Fall erwähnen.«
»Ich werde überhaupt keine Namen verwenden. Ich habe noch keine Bestätigung.«
»Ich versichere Ihnen, dass das Geld nicht von Backman stammt. Und wenn Sie in diesem Stadium der Ermittlungen seinen Namen nennen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er den Artikel sieht und etwas Dummes tut.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel um sein Leben rennen.«
»Warum ist das etwas Dummes?«
»Weil wir nicht wollen, dass er um sein Leben rennt.«
»Sie wollen ihn tot sehen?«
»Natürlich. Das ist der Plan. Wir wollen wissen, wer ihn umbringt.«
Sandberg lehnte sich gegen die harte Kunststofflehne der Bank und wandte den Blick ab. Lowell klaubte die Salamischeiben von seiner kalten Pizza, die eine gummiähnliche Konsistenz angenommen hatte. Eine Weile dachten sie schweigend nach. Schließlich trank Sandberg seine Cola light aus und sagte: »Maynard hat Morgan irgendwie überredet, Backman zu begnadigen, und Backman spielt jetzt irgendwo den Lockvogel für seinen Mörder.«
Lowell sah ihn nicht an, aber er nickte.
»Und der Mord wird einige Fragen in Langley beantworten?«
»Vielleicht. Das ist jedenfalls der Plan.«
»Weiß Backman, warum er begnadigt worden ist?«
»Wir haben es ihm nicht gesagt, aber er ist so intelligent, dass er von selbst draufkommen dürfte.«
»Wer ist hinter ihm her?«
»Ein paar sehr gefährliche Leute, die noch eine Rechnung offen haben.«
»Wissen Sie, wer?«
Ein Nicken, ein Achselzucken, eine Antwort, die keine war. »Es gibt mehrere Möglichkeiten. Wir sehen einfach zu, und vielleicht finden wir es heraus. Vielleicht aber auch nicht.«
»Und warum haben diese Leute noch eine Rechnung offen?«
Lowell lachte amüsiert. »Netter Versuch, Sandberg. Das fragen Sie mich schon seit sechs Jahren. Ich muss jetzt gehen. Arbeiten Sie an der ausgeglichenen Berichterstattung, und legen Sie mir den Artikel vor, bevor er in Druck geht.«
»Wann findet die Besprechung mit dem Präsidenten statt?«
»Ich weiß nicht genau. Vermutlich, sobald er wieder da ist.«
»Und wenn Maynard gefeuert wird?«
»Sind Sie der Erste, der es erfährt.«
Als Anwalt in der kleinen Stadt Culpeper, Virginia, verdiente Neal Backman erheblich weniger als die Summe, von der er beim Jurastudium noch geträumt hatte. Damals hatte die Kanzlei seines Vaters derart viel Einfluss in Washington gehabt, dass er davon ausgegangen war, schon nach ein paar Jahren als Anwalt an das ganz große Geld zu kommen. In der Kanzlei Backman, Pratt & Bolling hatten Junganwälte mit einhunderttausend Dollar im Jahr angefangen, und ein vielversprechender, dreißigjähriger Juniorpartner hatte etwa dreimal so viel bekommen. In Neals zweitem Studienjahr hatte ein lokales Magazin ein Foto seines Vaters auf die Titelseite gesetzt und über seine teuren Spielzeuge geschrieben. Sein Einkommen wurde auf zehn Millionen Dollar jährlich geschätzt. An der Fakultät hatte der Artikel für Wirbel gesorgt, was Neal überhaupt nicht peinlich gewesen war. Er wusste noch, dass er sich seine Zukunft damals rosig und mit enormen Verdienstmöglichkeiten vorgestellt hatte.
Doch knapp ein Jahr nachdem er als Junganwalt in der Kanzlei angefangen hatte und kurz nachdem sich sein Vater für schuldig erklärt hatte, wurde er entlassen und im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Bürogebäude geworfen.
Neal
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