Die Begnadigung
jetzt wie der Inbegriff der Diskretion aussah. »Was die Finanzen angeht, weiß meine Frau auch nur die Hälfte. Frauen haben einfach kein Händchen für so was.«
»Genau. Und deshalb wäre es mir auch lieb, wenn ich das Geld in bar bekommen könnte.«
Eine Pause, ein verwunderter Blick, aber bei Piedmont war schließlich alles möglich. »Sicher. In etwa einer Stunde habe ich die viertausend.«
»Ich muss jetzt in die Kanzlei und jemanden verklagen. Aber gegen zwölf komme ich wieder, um den Papierkram zu erledigen und das Geld zu holen.«
Neal eilte mit einem flauen Gefühl im Magen zurück in die Kanzlei, die nur zwei Querstraßen weiter lag. Lisa würde ihn umbringen, wenn sie dahinterkam, und in einer kleinen Stadt ließ sich nur schwer etwas verheimlichen. In den vier Jahren ihrer sehr glücklichen Ehe hatten sie alle Entscheidungen gemeinsam getroffen. Es würde nicht einfach sein, ihr den Grund für den Kredit zu erklären, obwohl sie vermutlich einlenken würde, wenn er ihr die Wahrheit sagte.
Die Rückzahlung des Kredits war ein Problem. Sein Vater hatte schon immer leichtfertig Versprechungen gemacht. Manchmal hatte er sie gehalten, manchmal nicht, doch nie hatte er sich viele Gedanken deshalb gemacht. Aber das war der alte Joel Backman gewesen. Der neue Joel Backman war verzweifelt und hatte keine Freunde, niemanden, dem er vertrauen konnte.
Warum machte er sich eigentlich so verrückt deshalb? Es waren nur viertausend Dollar. Richard würde nicht darüber reden. Und um den Kredit wollte sich Neal später kümmern. Schließlich war er ja Anwalt. Er würde einfach hier und da ein paar Honorare zusätzlich berechnen und noch mehr Überstunden machen als bisher.
Das Wichtigste war jetzt das Päckchen für Rudolph Viscovitch.
In der Mittagspause, als er das Geld in der Tasche hatte, verließ Neal Culpeper und fuhr in das neunzig Minuten entfernt liegende Alexandria. Das Geschäft namens Chatter war in einem kleinen Einkaufszentrum in der Russell Road, etwa zwei Kilometer vom Potomac entfernt. In der Onlinewerbung von Chatter hieß es, dass man dort die neuesten technischen Spielereien aus dem Telekommunikationsbereich bekam. Außerdem war es angeblich eines der wenigen Geschäfte in den Vereinigten Staaten, wo man freigeschaltete Mobiltelefone kaufen konnte, die auch in Europa funktionierten. Als Neal einen kurzen Blick auf die Auslagen warf, wunderte er sich darüber, wie groß die Auswahl an Telefonen, Funkempfängern, Computern, Satellitentelefonen war – es gab alles nur Erdenkliche, was sich dazu gebrauchen ließ, um mit jemandem in Verbindung zu bleiben. Aber er hatte nicht viel Zeit, um sich umzusehen, da für sechzehn Uhr eine eidesstattliche Aussage in seinem Büro angesetzt war. Außerdem würde Lisa wie jeden Tag mehrmals in der Kanzlei anrufen, um sich zu erkundigen, was es Neues in der Stadt gab.
Er bat einen Verkäufer, ihm das Ankyo 850 PC Pocket Smartphone zu zeigen, das größte technologische Wunderwerk, das in den letzten neunzig Tagen auf den Markt gekommen war. Der Verkäufer holte es aus der Vitrine und zählte begeistert die Ausstattung auf, wobei er plötzlich in ein unverständliches Kauderwelsch ausbrach:
»QWERTY-Volltastatur, Triband-Betrieb auf fünf Kontinenten, achtzig Megabyte an internem Speicher, Highspeed-Datenanbindung an EGPRS, drahtloser LAN-Zugang, Bluetooth-Technologie, Dual-Stack-Unterstützung von IPv4 und IPv6, Infrarot, Symbian-Betriebssystem Version OS 7.0s, Senes-80-Benutzeroberfläche und …«
»Automatische Bandbreitenumschaltung?«
»Ja.«
»Einbuchung in europäische Netze?«
»Selbstverständlich.«
Das Smartphone war etwas größer als ein normales Mobiltelefon, lag aber angenehm in der Hand. Es hatte eine glatte Metalloberfläche mit einer angerauten Kunststoffschale auf der Rückseite, die verhinderte, dass es beim Gebrauch wegrutschte.
»Es ist zwar größer als ein normales Mobiltelefon«, fuhr der Verkäufer fort, »aber dafür kann man auch eine ganze Menge damit machen – E-Mail, Multimedia-Messaging, Digicam, Video-Player, Textverarbeitung, Internet-Browsing. Und man hat fast überall auf der Welt drahtlosen Internetzugang. Wohin wollen Sie es mitnehmen?«
»Italien.«
»Kein Problem. Sie müssten nur noch einen Vertrag bei einem Netzbetreiber abschließen.«
Ein Vertrag bedeutete Papierkram. Papierkram hinterließ Spuren, und das wollte Neal um jeden Preis verhindern. »Gibt es dafür eine Prepaid-SIM-Card?«, erkundigte
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